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Bildband 24 Blicke auf das Handwerk

In einem Bildband des Mitteldeutschen Verlages Halle gibt es 24 Begegnungen mit Handwerk aus Sachsen-Anhalt.

Von Grit Warnat 15.10.2016, 01:01

Magdeburg l Ursula Römer ist Bürstenmacherin. Sie kauft Rosshaar aus Paraguay und Schweineborsten aus Chile und passt in ihrer Werkstatt in Naumburg alles zusammen, schneidet und bindet. Sie hat das Handwerk von ihrem Vater gelernt und lenkt heute den Familienbetrieb. Den gibt es seit 130 Jahren.

Autor Peter Straub erzählt von der Begegnung mit Ursula Römer, ihrer Werkstatt, ihrem Handwerk. Uwe Jacobshagen gibt fotografisch Einblicke – Arbeitstisch, Besenbinden, ein Staubwedel aus weißem Ziegenhaar im Großformat. Die Bürstenmacherin ist eine von 24 Handwerkern, die Straub und Jacobshagen für ihren Bildband besucht haben.

Es ist Handwerk, das Tradition hat und auch für das Besondere steht. Seiler, Sattler, Bleiglaser, Goldschmied, Buchbinder, Büchsenmacher, Maßschneider. Hier gibt es keine Massenproduktion, hier steht die Arbeit für das Handgemachte, hier ist der Job mehr als nur Broterwerb. Es geht um die Hingabe ans eigene Handwerk, um Leidenschaft. Um das zu untermauern, hat Uwe Jacobshagen vor allem stille Bilder den Texten zugesellt.

Wolf-Peter Wittig, der Metallbaumeister aus Wernigerode, lässt in seiner historischen Schmiede die Funken fliegen, Hannes Barthel in seiner Stumsdorfer Drechslerei die Späne. Mal gibt es Kraftanstrengung beim Aufziehen des Fassreifens in der Böttcherei von Carsten Romberg, mal die filigrane Arbeit mit Augenlupe bei Dirk Dornblüth in dessen Kalbenser Uhrenmanufaktur. Die Mischung der Gewerke ist gut gesetzt zwischen dem Kunstvoll-Schönen bei den Erbauern von Instrumenten und den mit Atemmaske und Kunstharzen arbeitenden Bootsbauern aus Magdeburg.

Die Texte blicken auf die Vita der Meister und die Handwerks­prozesse, die sie bewältigen und beherrschen. Schade, dass der Autor vielmals die Handwerker über ihren Werdegang, über ihre Biografie selbst schreiben lässt. Das wirkt nicht selten wie eine eigens verfasste Biografie, vor allem, wenn ganze Absätze hinweg in Zitatform über den persönlichen Werdegang dominieren. Das stört nicht nur gewaltig den Fluss des Reportagehaften. Dieses Sinnieren über den eigenen Betrieb hat hin und wieder den nicht schönen Anstrich einer Eigenwerbung. Dass das Preis-Leistungs-Verhältnis viele Kunden überzeugt, hat in einem Porträt nichts zu suchen.

Den 24 Blicken auf Handwerk in diesem Land ist eines gemein: In diesen Ateliers, Werkstätten und kleinen Betrieben regiert nicht die Maschine, sondern der Mensch mit all seiner Kreativität und Individualität. Geigenbaumeister Matthias Vorbrodt aus Wernigerode wird so schön zitiert, wenn er vom scheinbar leblosen Material erzählt, das einen Atem und eine unverwechselbare Stimme erhält.

Produkte, die mit viel Herz hergestellt werden, leben auch in Zeiten der Serienproduktion. Und so zeigt der Bildband mit Frische, dass Handwerk und seine Macher nichts Aussterbendes sind, sondern lebendig und gefragt.

Uwe Jacobshagen/Peter Traub: „Leidenschaft und schöne Dinge“, 160 Seiten, Mitteldeutscher Verlag Halle, 24,95 Euro.