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Schöne Bücher: Gegentrend zum digitalen Lesen?

07.10.2014, 06:53

Frankfurt/Main - Ob Donna Tartts "Distelfink", Nino Haratischwilis "Das achte Leben" oder Ken Folletts "Kinder der Freiheit": Wenn ein Buch deutlich über tausend Seiten hat, scheint das die Leser nicht zu schrecken.

Die drei Romane haben, wie viele andere dicke Wälzer, in diesem Sommer die Leser begeistert. Dünn muss ein Buch also nicht sein - aber schön. Davon sind immer mehr Verlage überzeugt und investieren kräftig in die Gestaltung.

"Ich bin felsenfest überzeugt, dass in der digitalen Welt die Lust auf ein gut gemachtes Buch wächst", sagt Joachim Unseld, Chef der Frankfurter Verlagsanstalt (FVA). Der Buchmarkt wird sich zweiteilen, sagt der Verleger: Hier die Leser, für die nur der Inhalt zählt, die Taschenbücher kaufen und sie danach wegwerfen oder gleich elektronisch lesen. Dort die Leser, die eine schöne Typographie, hochwertiges Papier, einen gut gestalteten Umschlag zu schätzen wissen und das Buch nach der Lektüre ins Regal stellen wollen.

Für die Verlage ist die Frage nur, ob die Leser - beziehungsweise die Buchhändler - auch bereit sind, mehr dafür zu bezahlen. "Wir müssen über die 30-Euro-Schwelle kommen", sagt Unseld, der mit Haratischwilis 1280-Seiten-Roman zur Buchmesse kommt. Ein Jahrhundertbuch, sagt Unseld, "keine Zeile zu viel". Deswegen fiel es ihm leicht, so viel Zeit, Aufwand und Geld in die Gestaltung zu stecken: "Der Umschlag muss die Äußerung des Inneren sein. Die Gestaltung des Buches muss zeigen: Das ist etwas Wertvolles."

Hohe Investitionen in die Herstellung können sich durchaus lohnen, glaubt Karin Schmidt-Friderichs. "Bücher, die schön sind, verkaufen sich schon immer besser. Die Menschen spüren das", sagt die Verlegerin, die zusammen mit ihrem Mann im Verlag Hermann Schmidt seit 22 Jahren ausschließlich "Ausgezeichnete Bücher für Kreative" (Verlagsmotto) macht. "Ich glaube, es ist legitim, etwas Schönes teuer zu machen."

Was die Schmidts umtreibt, ist das Thema Wiederkennbarkeit: Wenn jedes Buch individuell gestaltet wird, erkennt der Leser den Verlag nicht wieder. Diese Wiedererkennbarkeit sehen manche Verlage jedoch als Erfolgsrezept, zum Beispiel der mit einheitlichem Coverdesign arbeitende Diogenes Verlag oder die regenbogenbunte Suhrkamp Bibliothek.

Seit drei Jahren steht Schmidt-Friderichs der "Stiftung Buchkunst" vor, die alljährlich "die schönsten deutschen Bücher" kürt. 2014 ging der mit 10 000 Euro dotierte Hauptpreis an die Reihe "Forschen, Bauen, Staunen von A-Z" aus dem Verlag Beltz & Gelberg. Der Verlag hat dafür eigens eine neue Schrift entworfen, sie habe "die improvisierte Anmutung des Handgeschriebenen und die prima Lesbarkeit einer Satzschrift", wie die Jury befand.

Auf der Buchmesse und in den Buchhandlungen sieht man jetzt immer häufiger Bücher, deren - sonst weiße - drei Innenkanten, der sogenannte Schnitt, bunt bedruckt sind. Besonders bei Frauenliteratur sei das beliebt, erklärt die Verkäuferin einer kleinen Buchhandlung im Frankfurter Stadtteil Bornheim. Der "eyecatcher" verleite manche Kundin dazu, ein Buch in die Hand zu nehmen, das sie vom Titel oder vom Cover her vielleicht nicht angesprochen hätte.

Einen generellen Trend sieht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nicht: "Aufwendig gestaltete Hardcover sind ein Segment von gleichbleibender Bedeutung für Verlage und Buchhandlungen", sagt Sprecherin Claudia Paul. Einen Gegentrend zum E-Book sieht sie nicht: "Auswirkungen haben E-Books eher auf die Editionsform Taschenbuch." Der Markt für aufwendig gestaltete Bücher sei "kein Massenmarkt".

Die Buchmesse hat sich in diesem Jahr dennoch einen neuen (Schönheits-)Preis ausgedacht, über den Leser im Internet abstimmen: "The Beauty and the Book Award". Was schön ist, entscheidet jeder für sich: das schönste Buchdetail, das beste Layout, der tollste Schriftsatz, das gelungenste Cover oder die überzeugendste Grafik.