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Wie islamfeindlich ist Houellebecqs neuer Roman?

15.01.2015, 09:23

Paris - Für Michel Houellebecq ist nichts mehr so wie es war. Er habe hin und wieder Angst, gestand der französische Autor dem Mailänder "Corriere della Sera". Der Grund: Der blutige Anschlag zweier islamistischer Terroristen auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" vor mehr als einer Woche.

Er ereignete sich an dem Tag, an dem das Blatt seine aktuelle Ausgabe Houellebecqs neuem Buch "Unterwerfung" widmete, das zeitgleich herauskam. Nun ist es in Deutschland auf dem Markt. In Köln will es der Schriftsteller am kommenden Montag vorstellen.

Der Romancier beschreibt darin Frankreich im Jahr 2022 unter der Flagge des Islams. Die politische Fiktion dürfte auch in Deutschland ausreichend Zündstoff bieten. In Dresden und anderen Städten finden die Demonstrationen des Anti-Islam-Bündnisses Pegida und seiner Ableger immer größeren Zulauf.

Wovon handelt das Buch, das noch vor seinem Erscheinen dem Schriftsteller den Vorwurf einbrachte, islamfeindlich und rechtsextrem zu sein? Von einer Zukunftsvision, in der Frankreich 2022 von einem gemäßigten islamischen Präsidenten namens Mohammed Ben Abbes regiert wird, der mit Unterstützung der Sozialisten und Bürgerlichen an die Macht kommt, um die Wahl der Chefin des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, zu verhindern. Die Präsidentschaftswahlen in Paris werden von gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Islamgegnern und jungen Dschihadisten begleitet. Wahllokale werden überfallen und Autos in Brand gesetzt.

"Unterwerfung" spielt nicht mit dem Feuer des Hasses. Das meint auch die Literaturkritikerin Elke Heidenreich. Houellebecq sei auf keiner Seite aufhetzerisch. Er gebe sich einem Gedankenspiel hin, sagte die 71-jährige Journalistin und Kabarettistin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er zeige, was wäre, wenn die Rechte in Frankreich unter Marine Le Pen sehr stark würde, die Linke völlig zerstritten und plötzlich ein gemäßigter Islamist käme. Houellebecq orientiert sich frei an der Realität. Bei den Europawahlen im Mai 2014 ist der FN in Frankreich als stärkste Partei hervorgegangen.

Houellebecqs Buch endet mit einer friedlichen Vision eines islamischen Frankreichs. "Die Anfänge der von Mohammed Ben Abbes eingesetzten Regierung der nationalen Einheit wurden einhellig als Erfolg begrüßt", schreibt er. Houellebecqs islamisches Frankreich kennt eine Zuversicht wie zuletzt nach den Nachkriegsjahrzehnten. Gründe dafür seien der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit unter anderem durch das Verbot der Frauenarbeit und das Absenken der Kriminalitätsrate. Houellebecq, ironisch und zynisch wie immer.

Unter der Partei der gemäßigten Brüderschaft der Muslime dürfen Frauen zwar keine Miniröcke mehr tragen, doch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Escorte-Mädchen und der Konsum von Alkohol sind weiterhin erlaubt - zur Freude der Romanfigur François, eines Literaturwissenschaftlers an der Universität "Paris IV - Sorbonne". Der Akademiker ist eine typische Houellebecq-Figur: einsam, von der Menschheit angeekelt und sexbesessen. François konvertiert zum Islam, weil ihm die Religion mehrere Frauen gleichzeitig erlaubt.

Sein Buch sei nicht islamfeindlich, erklärt der Kultautor schon seit Wochen. Doch noch bevor der Roman in Frankreich erschien, verurteilten zahlreiche Literaturkritiker die Zukunftsvision des Schriftstellers als Feindseligkeit gegenüber Muslimen. Nach dem islamistischen Anschlag auf "Charlie Hebdo" kam anfänglich auch - unausgesprochen - die Frage nach einem Zusammenhang zwischen dem Roman und dem Terroralbtraum auf.

Er möge es nicht, wenn man sage, er sei frei, und ihm dann etwas von Verantwortung erzählt werde, sagte Houellebecq in einem Interview, das er dem französischen Fernsehsender "Canal Plus" nach dem mörderischen Anschlag gab. Houellebecq verließ Paris und stellte die Werbung in Frankreich für sein Buch ein. Nichts werde nach dem grauenvollen Ereignis mehr so sein wie früher, sagt er.