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Strawinsky-Abend am Nordharzer Städtebundtheater Metapher für die Unersetzlichkeit aller Künste

"Meine Arbeit am Strawinsky-Abend habe ich dem verstorbenen Ballettchef
Jarosaw Jurasz gewidmet", bekennt Gastchoreograf Francisco Sanchez
Martinez. Ein wundervolles Tanzereignis am Nordharzer Städtebundtheater.
Premiere war am Freitag in Quedlinburg.

Von Hans Walter 22.09.2014, 01:21

Quedlinburg l Drei Kompositionen Igor Strawinskys aus unterschiedlichen Schaffensperioden bilden das musikalische Gerüst für Martinez` Inszenierung: Das 1957 entstandene Zwölfton-Ballett "Agon", das "Capriccio" für Klavier und Orchester von 1929 und das Ballett "Apollon musagéte - Apollo, der Musenführer" (1928). Jurasz hatte diesen Kammerballettabend noch selbst konzipiert. Jetzt oblag dem spanischen Tänzer und Choreografen die Vollendung.

Des Merkens würdig, wie sehr sich die Arbeitsweise des Polen und des Spaniers einander annähern. Vor allem ist es die Hochachtung Martinez´ für das von Jurasz zu einem hochklassigen Tanzensemble geformte Nordharzer Ballett. Es darf nicht preisgegeben werden. Also forderte er das kleine Ensemble stark heraus.

Zwölf Tutus hängen in "Agon" über der Szene. Die weißen Tüll-Ballettröckchen sind Zeichen für die Zwölftontechnik der Komposition. Die expressiven Körper verzichten in diesem ersten Tanzbild auf klassische Formensprache. Für die sperrige Musik findet Martinez abstrakte Bilder, in Sololeistungen wie im Ensemble. Sie erschließt sich in Licht, in lebensgroßen Kokons aus geriffelter Plastikfolie, in Geräuschen wie Kratzen oder dem sanften Streichen über die durchsichtigen Hüllen.

Zunehmend wird im "Capricchio" die Abstraktion verlassen. Die Tutus sind Teil eines Wechselspiels weiblicher und männlicher Rollen und Ausdrucksformen.

In "Apollon musagéte" ist Martinez beim Handlungsballett angekommen. Aus dem Pas de deux von Zeus und seiner Geliebten Leto erwächst Apoll, der Gott der Musik und des frühlingshaften Lichtes. Seine Neugier führt ihn zu neuen Kunstformen. Zur Entdeckung der Muse des Tanzes Terpsichore, der Dichtkunst Calliope, des beredten Schweigens Polyhymnia. Er soll sich entscheiden, welche Muse ihm am nächsten steht. Er kann diese Entscheidung nicht treffen. Zeus und Leto übernehmen und führen die drei konkurrierenden Musen als gleichberechtigt zusammen. Eine Metapher für die Unersetzlichkeit aller Künste im menschlichen Leben...

Unmöglich, eine Leistung des ungeheuer engagiert arbeitenden Ensembles gesondert herauszuheben. Die Tänzer kamen den Besuchern erregend nahe, zu sehen war jeder Schweißtropfen auf den glänzenden Körpern. Zu hören waren die Atemzüge von Hochleistungsathleten, die sich 100 Minuten lang zu Freude und Genuss des Publikums schindeten. Das gesamte Ensemble fuhr Blumen und Ovationen ein.

Folgende Aufführungen: Kammerbühne Halberstadt am 26. September, 19. Oktober, 2. November.