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"Fata Morgana" Ein surreales Trugbild aus flirrenden Klängen

Von Hans Walter 17.11.2014, 01:20

Wernigerode l Zum siebten Mal "Impuls"-Konzerte in Wernigerode - ist es das verflixte siebte Jahr?, fragte sich der Intendant des Festivals für neue Musik, der Initiator und Dirigent Hans Rotman. Mitnichten!

Ein glänzend disponiertes Philharmonisches Kammerorchester, drei neue Werke und ein bis auf wenige Plätze fast voller Konzertsaal am Freitag im Gerhart-Hauptmann-Gymnasium. Herz, was willst du mehr? "Von Chimäre und Wahn" war der Abend überschrieben.

Zu Beginn stand eine Uraufführung - die "Impuls"-Auftragskomposition "Fata Morgana" des 16-jährigen Hallensers Jorma Marggraf. 2013 gewann er bei der 24. Werkstatt mit dem Nordharzer Städtebundorchester den Preis des Impuls-Festivals, verbunden mit einem Kompositionsauftrag.

Eine Fata Morgana ist ein Trugbild. Wie übersetzt man das in Töne? Eingangs durch flirrende Streicherklänge. Ohne Dynamik. Ohne Rhythmus. Ohne Melodie. Ein flimmerndes, schwebendes Bild. Dann verdichtet es sich durch geballte Hörner- und Trompeteneinwürfe, durch Schlagwerk und Holzbläserklänge. Es wird zunehmend rhythmischer. Aber die Rhythmen lösen sich gegen Ende auf. Wieder flirrende Streicher. Wie überirdisch. Ein surreales Trugbild.

Marggraf verlässt die Tonalität nicht. Beim Hören dachte ich an ein Bild des Expressionisten Paul Klee - "Die Zwitschermaschine". Musikdirektor Christian Fitzner schuf mit dem Orchester wundervolle Klänge. Vom zartesten Pianissimo-Hauch bis hochdramatisch. Eine schöne Talentprobe des Komponisten.

Altspanische Texte werden zum Erlebnis

Dann die deutsche Erstaufführung von Karol Beffas 2010 entstandener "Nuit obscure", von Hans Rotman dirigiert. Der stärkste Eindruck des Konzerts. Der aus Tschechien stammende Komponist lebt heute in Frankreich. Er widmete sich Texten des spanischen Mystikers Juan de la Cruz oder Johannes vom Kreuz (1542-1591).

Ein Unbeschuhter Karmeliter, ein Rebell. Im Gefängnis entstanden sein "Cántico espiritual" und sein bekanntestes Gedicht "Die dunkle Nacht". Das vertonte Beffa für Stimme und Streichorchester. Mit ihrer modulationsfähigen Stimme machte die Mezzosopranistin Carola Reichenbach die altspanischen Texte zum ganz großen Erlebnis. Meditation, Aufbegehren, Trauer und die Reise durch die dunkle Nacht - es war eine intime Zwiesprache. Zärtlich, klar, expressiv und klagend.

Zum Abschluss dann HK Grubers "Frankenstein!!!" für Chansonnier und Orchester mit Texten von H. C. Artmann. "Angenehmer Unsinn" nannte Rotman diese moderne Musik. Und sehr vergnüglich dazu, wenn die Percussionistin Tüten aufbläst und effektvoll knallen lässt. Wenn auf einem scheppernden Kinderklavierchen musiziert wird oder auf einer Triola. Frankenstein höchstselbst, Comic-Helden, Fledermäuse und andere Biba-Monsterchen trieben im Orchester und im Sprechgesang des Schauspielers Nino Sandow ihr liebenswertes Un-Wesen.

Fantastisch!