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Lämmchen Paula

Von Bettina Koch 22.04.2010, 04:49

Eigentlich wollte meine Freundin Paula mich besuchen, doch dann muss sie es sich anders überlegt haben. " Kommst du rüber ?", fragte sie am Telefon und legte sofort wieder auf. Das ließ keinen Raum für Diskussionen. Also warf ich mich in Schale und folgte Paulas Ruf. Der Espresso blubberte schon in der Maschine, als ich eintraf, und neben den winzigen Tässchen lag griffbereit Paulas Telefon.

Düdeldüdeldüdeldüdeldudu – wir saßen noch nicht mal richtig auf dem roten Kuschelsofa, da fing das Schnurlose schon an zu bimmeln. " Diese Klingeltöne wünschen sich ein paar liebevolle Korrekturen ", empfahl ich. " Das ist Karl, er ist mit Karin vom Bergsteigen zurück ", zischte Paula und begann, in die Telekommunikationsmaschine zu säuseln : " ... habe dich auch schrecklich vermisst, mein Storchenschnäbelchen ... oh, mein Tigerbaby, wie Recht du hast ... ach mein Äffchen … dann bis nachher, Mausi … ich dich auch ... tschühüss. " Dabei strahlte Paula wie ein Honigkuchenpferd. Auf meine Frage, ob sie sich gerade für einen Zoobesuch verabredet hätte, reagierte sie mit einem verständnislosen " Hä ?"

" Du hast deinen Liebsten eben nicht ein einziges Mal mit seinem Namen angesprochen, stattdessen gibst du Brehms Tierleben ", wunderte ich mich. So hat Paula doch früher nie geredet. Dass dieser Kerl schon so sehr abgefärbt hat ! " Wie nennt er dich denn so ?", bohrte ich nach. " Lämmchen ", antwortete Paula, " Häschen, manchmal auch mein Rehlein. " " ... oder wie heißt das Tier mit dem langen Rüssel ", kicherte ich. " Spar dir deine Witze ", gab Paula zurück. Die Kosenamen seien Ausdruck seiner innigen Liebe.

" Vielleicht will Karl damit nur verhindern, dass er deinen Namen zu sehr verinnerlicht ", gab ich zu bedenken. " Denn sonst könnte es nachts durchaus passieren, dass er in seinen Träumen aus tiefstem Herzen Paula seufzt. Wenn seine Rufe dann nicht dich erreichen, sondern Gattin Karin aus dem Schlummer reißen, dürfte es schwierig werden, ihr weiszumachen, dass das gerade ein fürchterlicher Albtraum war oder dass er im Schlaf mit einer Kollegin noch mal das Referat für die nächste Sitzung durchgegangen ist, das dringend überarbeitet werden muss. Lämmchen und Rehlein sind da unverfänglich, clever dein Karl ", bemerkte ich.

" Bedenkt er Karin eigentlich auch mit tierischen Namen ?" Paula dachte kurz nach : " Hasi und Pantoffeltierchen, habe ich neulich mal gehört, als die beiden telefonierten. " " Solchen Gesprächen beizuwohnen, da hätte ich nun wirklich keine Lust drauf ", sagte ich. " Nein, ich habe nicht viel mitbekommen. Ich war doch damit beschäftigt, mit Hilfe von Fernseher und zwei Radios solchen Lärm zu fabrizieren, dass die Pause auf dem Kongress, den Karl angeblich besuchte, glaubhaft rüberkam. " Paula griente. " Ihr seid ein tolles Team ", sagte ich anerkennend.

Düdeldüdeldüdeldüdeldudu – schon wieder dieses nervtötende Klingeln. " Karl ?", fragte ich. " Wir mussten das Gespräch vorhin unterbrechen, Karin kam von der Toilette zurück ", erklärte mir Paula. " Aha, und jetzt steht sie vermutlich unter der Dusche ", mutmaßte ich. Aber das hörte meine Freundin nicht, sie legte nämlich schon wieder los mit : Froschschenkelchen, Koalabär – das volle Programm. Endlich legte sie auf. " Karin war duschen ", erklärte sie mir. " Ach, sag bloß. "