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100 Jahre Liebermann-Villa Im schönen "Schloss am See" sind Kunst und Natur eins

Von Nada Weigelt 26.04.2010, 05:19

Ein Haus im Grünen – für den Impressionisten Max Liebermann war das nicht nur ein Lebenstraum, sondern ein Rettungsanker für seine Kunst: 1910 zog er aus dem laut und schmutzig gewordenen Berlin hinaus in eine Villa am Wannsee. Mehr als 200 Bilder seines Spätwerks entstanden hier, ehe er 1935 – von den Nationalsozialisten verfemt – einsam und verbittert starb. An diese Zeit erinnert eine gestern eröffnete Jubiläumsausstellung.

Berlin (dpa). "Den Künstlern damals ging es angesichts der zunehmenden Industrialisierung um eine neue Form des Lebens im Einklang mit der Natur", sagt Museumsdirektor Martin Faass. "Auch und vor allem ging es jedoch um den Aufbruch der Kunst – weg von den großen, repräsentativen Themen hin zu den kleinen, fast beiläufigen Motiven."

Liebermann, der als einer der wichtigsten Vorreiter der modernen Kunst gilt, hatte das letzte Wassergrundstück am Großen Wannsee 1909 erworben. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Hamburger Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark, entwickelte er auf dem fast 7000 Quadratmeter großen Gelände in akribischer Kleinarbeit sein "Schloss am See", wie er es nannte.

Wie damals wuchern auch heute in dem zur Straße gelegenen Bauerngarten Anemonen, Goldstern und Vergissmeinnicht um die Wette. Zum See hin geben die großen Fenster des klassizistischen Hauses mit seinem hohen Walmdach den Blick frei auf ein Birkenwäldchen und den schnurgeraden Weg ans Wasser. Weiße Holzstühle und ein Teepavillon laden zum Verweilen ein. "Ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Gartenkunst", sagt Faass. "Unsere Besucher können so bei Liebermanns zu Gast sein."

Die Ausstellung (bis 15. August) zeigt rund 40 der Gemälde, Zeichnungen und Grafiken, die hier seit 1910 entstanden. Eineinhalb Jahre hat die Liebermann-Villa bei Sammlern und Museen um die Leihgaben geworben. Sogar das Bundespräsidialamt steuerte mit dem Werk "Blick aus dem Nutzgarten auf den Eingang zum Landhaus" (um 1927) ein wertvolles Exponat bei. Daneben sind Zeitgenossen wie Lovis Corinth, Lyonel Feininger und Max Slevogt mit ihren Ideen vom Landhausleben zu sehen.

Liebermann, der als Präsident der Berliner Sezession auch kulturpolitisch großen Einfluss hatte, zog sich mit seiner Frau Martha so oft wie möglich in sein kleines Paradies zurück – fernab der wuchtigen Stadtwohnung, die die Familie am Pariser Platz pflegte.

Mit der Machtübernahme der Nazis änderte sich das Leben des jüdischen Großbürgers dramatisch. Er musste seine Ämter abgeben, zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. "Ick kann jar nicht so ville fressen, wie ick kotzen möchte", sagte er bei einem NS-Fackelzug vor seinem Haus.

Fünf Jahre nach Liebermanns Tod 1935 zwang die Reichspost seine Frau zum "Verkauf" der Villa für einen lächerlichen Preis. 1943 nahm sich Martha Liebermann mit einer Überdosis Gift das Leben, um ihre Deportation ins KZ zu verhindern. Das Haus am See wurde zunächst ein "Lager für die weibliche Gefolgschaft", später Lazarett und Krankenhaus und in den 70er Jahren schließlich Vereinshaus für einen Taucherclub.

Viele Jahre blieb die Liebermann-Villa im Dornröschenschlaf, bis 2002 eine Bürgerinitiative das Haus nach langem Kampf gewinnen und restaurieren konnte. Bis heute halten 130 Bürger die Gartenpflege, den Museumsbetrieb und die Gästeführungen ehrenamtlich am Laufen, öffentliche Gelder gibt es nicht. "Das ist der schönste Arbeitsplatz in ganz Berlin", sagt Ilse Kischlat (74), die als "Springerin" an der Kasse arbeitet. "Es ist wunderbar, etwas zu tun, was über das eigene Leben hinausgeht."