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Grass und Kant im Streitgespräch Das Warten auf ein "mea culpa

Von Zum Schluss reichen sich beide die Hände 23.03.2010, 04:49

Berlin ( dpa ). Hermann Kant weiß sich immer noch zu wehren, auch gegen einen Literaturnobelpreisträger wie Günter Grass. Der wartet auf ein eindeutiges " mea culpa ", also Schuldeingeständnis zu dem, wie Grass meint, " schändlichen " Verhalten des damaligen Präsidenten des Schriftstellerverbandes, der nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR 1976 wenig später den Ausschluss von aufmüpfigen Autoren wie Stefan Heym und Erich Loest betrieben hat. Kant räumt ein, auch " gesündigt " zu haben, glaubt aber, den für viele ostdeutsche Autoren wichtigen Verband damit gerettet zu haben, auch wenn die Biermann-Affäre " der Anbeginn unseres Untergangs war ".

Die beiden alten Herren in den 80 ern und Protagonisten der deutsch-deutschen Nachkriegsliteratur kreuzten nach langen Jahren die Degen in einem Streitgespräch im Berliner Ensemble.

Grass hat " nach 20 Jahren Distanz " seit dem Mauerfall eine " kleine Erwartung " an seinen Schriftstellerkollegen, nämlich die Selbstbefragung " Was habe ich falsch gemacht und was war meine Verantwortung ? und donnert dann ins Mikrofon : " Ihr miserables Verhalten damals ist eine der Bruchstellen des Staates gewesen ... Sie sind unter Ihrem Niveau geblieben !".

Kant, der 1978 Nachfolger von Anna Seghers geworden war, beteuert, dass er als Verbandsfunktionär 1979 nicht anders handeln konnte, sonst wäre der Autorenverband der DDR, der für 1000 Kollegen lebenswichtig gewesen sei, aufgelöst worden. " Entweder ihr schmeißt die Leute raus oder der Laden wird dichtgemacht ", sei ihm damals " von höchster Stelle " klargemacht worden. " Natürlich ist das in meinem Leben eine gewaltige Angelegenheit gewesen, die mir auch immer noch zu schaffen macht. "

" Stand das so im " Neuen Deutschland "?" hakt Grass süffisant gleich nach und meint das damalige SED-Zentralorgan. Immerhin gehörte Kant zeitweise ( ab 1986 ) auch dem SED-Zentralkomitee an. " Im Fall Biermann haben Sie einfach versagt ", bleibt Grass hart, räumt dann aber auch ein, dass er zwischen dem Autor und Verbandsfunktionär Kant unterscheide.

" Ich habe Sie immer für einen begabten Autor gehalten und wenn Sie pauschal angegriffen werden, werde ich Sie immer als den Autor von Büchern wie " Der Aufenthalt " verteidigen. Aber ich werfe Ihnen Ihr Verhalten als Verbandspräsident vor, Sie sind an der Maßregelung von Schriftstellern beteiligt gewesen ".

Kant geht in die Offensive. Er habe im Falle Lutz Rathenow oder Frank-Wolf Matthies dem damaligen Chefideologen der SED Kurt Hager klipp und klar gesagt : " Wenn ich in derem Alter wäre, würde ich schreiben wie die, damit ihr mich einsperrt. " Bald danach seien die inhaftierten Autoren freigelassen worden. Und : " Niemand hat einen stärkeren Brief an Honecker geschrieben als ich im Fall des " Sputnik " -Verbots. Ich habe andauernd etwas gemacht, ohne es herauszuposaunen ", beteuert Kant.

Grass lässt das gelten : " Ich bestreite nicht, dass Sie sich auch eingesetzt haben, aber ich rede von Ihrer größeren Verantwortung und Ihrem Beitrag dazu, dass der Staat auf so jämmerliche Weise zugrunde gegangen ist. " Kant will aber nicht als Alleinschuldiger dastehen. " Wenn man mir sagt, ich habe gesündigt, bin ich einverstanden, das tut mir leid, aber nicht, wenn man mir sagt, ich sei schuld am Untergang der DDR, das ist grotesk. "

Und auch das mit dem Spitzel-Vorwurf will Kant nicht auf sich sitzen lassen. Der wird auch in dem Buch " Günter Grass im Visier – Die Stasi-Akte " von Kai Schlüter ( Ch. Links Verlag ) erhoben, " Das sind in den Stasi-Akten keine Berichte von mir sondern die Wiedergabe einer Befragung. "

Zum Schluss reichen sich die beiden " Großschriftsteller " die Hände. " Es ging mit Krach los zwischen uns und ein bisschen ist es immer so geblieben ", meinte Kant mit Blick auf ihre ersten Begegnungen vor 50 Jahren. Beide veröffentlichten in Westdeutschland früher im selben Verlag ( Luchterhand ).

Auf die 1959 erschienene " Blechtrommel ", die erst 1986 in der DDR erscheinen konnte, hatte Kant 1960 eine, wie er heute einräumt, " ziemlich blöde Rezension " geschrieben (" Solo in Blech "). Aber heute gehe man " doch ganz zivil miteinander um, das war schon anders ", meint Kant, der sogar auf eine Fortsetzung der Gespräche setzt, womit er bei Grass auf Zurückhaltung stößt.

Berlin ( dpa ). Der umstrittene Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauch soll für das Kino aufbereitet werden. Die junge Berliner Produktionsfirma Penrose Film plant unter dem Arbeitstitel " Die Verantwortlichen " ein entsprechendes Projekt. Für Regie und Drehbuch zeichnet der Nachwuchsfilmer Gerd Schneider verantwortlich, der als ehemaliger Priesteramtskandidat selbst Einblick in die Kirchenstrukturen hat. Ende des Jahres soll die Produktion des Kinofilms beginnen.