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Opern-Premiere Vom Blick in einen gequälten Kopf

Erstmals wird in Magdeburg die Oper „Elektra“ von Richard Strauss aufgeführt. Gisela Begrich sprach mit Regisseurin Aniara Amos.

14.10.2015, 23:01

Volksstimme: Frau Amos, wer ist Elektra?

Aniara Amos: Elektra ist die Tochter des griechischen Atridenkönigs Agamemnon. Sie ist ausweglos in das blutige Geschick ihrer Sippe verstrickt. Sie lebt nur für die Rache an ihrer Mutter und deren Liebhaber, die ihren Vater kurz nach seiner Heimkehr aus dem trojanischen Krieg ermorden. Seitdem wartet Elektra auf ihren Bruder Orest, der Mutter und Liebhaber töten soll.

Was ist das Besondere an dieser Figur in der Oper von Richard Strauss?

Besonders ist nicht nur die Figur der Elektra, sondern das Werk überhaupt. Es gibt kaum eine Oper, die so intensiv ist wie „Elektra“. Hier findet kein Handlungstheater statt, sondern ein auskomponierter großer Gedanke. Elektra ist eine Figur, deren antike Größe von Strauss und Hofmannsthal in die Moderne übertragen wurde: Sie breiten hier einen großen menschlichen Kosmos aus und vertonen die Komplexität menschlicher Beziehungstragödien. Wir erleben mit Strauss’ soghafter Musik das Innenleben einer gespaltenen Persönlichkeit. Wir befinden uns quasi in ihrem gequälten Kopf. Sie kann keine Erlösung finden, weil sie in ihren Rachegefühlen gefangen bleibt.

Welche Konsequenzen hat das für Ihre Inszenierung?

Ein naturalistischer Ansatz würde den radikalen Gefühlen der Elektra nicht gerecht. Auf der Bühne agieren zudem nur wenige Personen. Viele Aufführungen geraten deshalb sehr statisch, weil es schwierig ist, die Vielschichtigkeit der Gefühlsebenen, die Strauss hörbar macht, mit nur drei Frauen – Elektra, der Schwester Chrysothemis und der Mutter Klytämnestra – auf der Bühne umzusetzen.

In unserer Konzeption brechen wir diese Form auf und visualisieren die Zerrissenheit der Figur. Das bedeutet, dass Elektra nicht nur einmal, sondern mit ihren unterschiedlichen Anteilen mehrfach auf der Bühne ist – als Kind, mit Wut, Angst, Freude, Ekel und Trauer. Dabei arbeiten wir sehr körperlich und choreografisch.

Nun ist Elektra eine der schwersten Gesangspartien, die es überhaupt gibt. Die Sängerin kommt während der gesamten anderthalb Stunden der Aufführung nicht von der Bühne. Psychisch und physisch verlangt diese Partie ein Maximum des Leistbaren.

Eine außergewöhnliche Rolle erfordert vermutlich auch eine nicht alltägliche Besetzung. Wen werden die Magdeburger als Elektra erleben?

Die englische Sopranistin Elaine McKrill wird die Elektra singen und damit ihr Rollendebüt geben. Sie gastiert regelmäßig an den großen Opernhäusern Europas und hat mit vielen der führenden Dirigenten und Regisseuren zusammengearbeitet. Ihr Repertoire umfasst Rollen verschiedenster Komponisten. In den letzten Jahren widmete sie sich besonders Wagner und Strauss. So hat sie Isolde im „Tristan“ und die Marschallin im „Rosenkavalier“ gesungen. Am Royal Opera House Covent Garden und in der niederländischen Nationaloper wirkte sie bereits in „Elektra“ mit, aber die Titelpartie ist für sie auf der Bühne Neuland.

Wie können Sie als Regisseurin die Sängerin bei der Erarbeitung der Rolle unterstützen?

Vor allem, indem ich mich ihrer Erfahrung anvertraue. Im Endeffekt liegt es an ihr, zu wissen, was und wie viel sie auf der Bühne szenisch leisten kann. Das ist der Grund, warum man mit dieser Rolle nur eine sehr erfahrene Künstlerin betraut, eine, die sich selbst, ihre Stimme und ihren Körper kennt und einschätzen kann. Ich bin sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Elaine. Sie ist einfach wunderbar, und ich bin sehr dankbar, dass sie „unsere“ Elektra ist.

Premiere für die Oper ist am 22. Oktober im Opernhaus Magdeburg.