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Panometer Ein Tauchgang zur Titanic

Das Wrack des legendären Luxusliners Titanic ist das neueste Rundbild von Yadegar Asisi. Zu sehen ist es in Leipzig.

Von Grit Warnat 28.01.2017, 00:01

Leipzig l Bücher, Filme, Musical. Es gibt jede Menge Material zur Geschichte der Titanic, die bei ihrer Jungfernfahrt im April 1912 im Atlantischen Ozean mit einem Eisblock kollidierte, in den eisigen Fluten sank und 1500 Menschen in den Tod riss. Vor allem aber mit dem oscargekrönten James-Cameron-Film ist die Katastrophe in unser Bewusstsein gerückt. Auch Asisi ließ sich gefangennehmen vom Mythos um das Schiff und das Wrack. Gesehen hat er es aber nie. „Vor sechs, sieben Jahren stand ich auf der Liste für einen Tauchgang“, sagt er bei der Präsentation vor Medienvertretern am Freitag. Geworden sei aus diesem Tauchgang aber nie etwas.

Und doch hat der Berliner die Titanic am Meeresgrund inszeniert. Mit seiner Kunst. Mit einem Rundbild. Und das, obwohl, wie er meint, im Film eigentlich alles erzählt worden sei. Was also interessierte ihn? Nicht der Untergang. Asisi wird philosophisch vor Presse, Funk und Fernsehen und erzählt, dass er nicht nur zeigen wolle, wie nah Euphorie und Tragödie beieinander liegen würden, sondern wie der Fortschritt den Menschen beherrsche. Asisi ist Architekt, und jemand, der die Welt reflektiert, hat sich immer schon mit den Fragen um die Moderne, um unser Streben nach Fortschritt beschäftigt. „Was bedeutet das alles für uns? Sollten wir nicht manchmal innehalten?“, fragt er in die Runde.

In seiner neuesten Arbeit geht es ihm um die Darstellung einer Zeit, die geprägt war vom rasanten technologischen Fortschritt. Eine begleitende Ausstellung mit Rauminstallationen und dem 23 Meter in die Höhe ragenden Bug zeigt, wie aus Stahl riesige Kathedralen, Brücken, Tunnel entstanden. Und eben die Titanic, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst.

Dieses Meisterwerk verlor gegen die Natur und liegt seit mehr als 100 Jahren in 3800 Metern Tiefe im Nordatlantik. Jahrelang hat sich Asisi mit der Geschichte um das Schiff und unzähligen Fotografien beschäftigt, von Titanic-Experten beraten lassen und in seinen Gedanken ein Bild reifen lassen, das heute für Besucher eröffnet wird und mit einer Fläche von 3500 Quadratmetern zu den weltgrößten 360-Grad-Panoramen zählt. Mehr als 110 Meter ist es lang – wie ein Fußballfeld. Die bedruckten Stoffbahnen sind hoch wie ein zehnstöckiges Haus. So passt die Titanic im Maßstab 1:1.

Da liegt sie, korrodiert, zerborsten, einsam, in der dunklen Tiefe. Der Stahlkoloss mit all seinen Decks der verschiedenen Klassen ragt in die Höhe. Ein gewaltiger Anblick. U-Boote, wie sie jahrelang auf Erkundungstour gehen durften, werfen Lichtstreifen in die Szenerie und hellen die Tiefe auf, wie es unter Wasser nicht möglich ist. Aber nur so sind die Dimension, dieses riesige Wrack und die umliegenden Trümmerteile zu erfassen. Alles im Verfall. Das, was Asisi zeigt, ist ein zeitliches Titanic-Konglomerat aus den vergangenen 10, 15 Jahren.

Während andere Rundbilder von Asisi wie Wimmelbilder mit unzähligen Details das Auge fordern, ist es bei Titanic die Musik, die immer mehr Oberhand gewinnt und die Tiefen der See spüren lässt. „Das Bild soll so klingen, wie es der Künstler sieht“, sagt Babak. Und so komponierte er nicht das Absinken, sondern die Melancholie am Ozeangrund, an dem die Natur arbeitet und sich ihr Revier zurückerobert. Babal nennt es Nachtstimmung, die in der 15-minütigen Schleife die zeitliche Oberhand hat. Lediglich kurze drei Minuten beschäftigen sich mit der Erinnerung: Fröhliches Leben an Deck, Kapelle, Tanzen, leichtes Stimmengewirr. Dann der Untergang. Ein musikalisches Grummeln und Klagen. „Wir wollten kein Geschrei, kein Getöse“, sagt Eric Barak, der bisher jedes Asisi-Panorama musikalisch begleitet hat, und für Titanic mit einem Orchester aus Mazedonien gearbeitet hat, das auf Studioaufnahmen spezialisiert ist. Die Musik sei vielleicht die Beste, die er je für ein Panorama gemacht hat, sagt er.