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Radio-Festival 720 Stunden Kunst ohne Pause

Das zweite „Radio Revolten Festival“ eröffnet am Sonnabend in Halle. Eingeladen sind 70 Künstler aus 17 Ländern.

Von Uta Baier 29.09.2016, 23:01

Halle l Anschwellendes Presslufthammergetöse, irgendetwas zwischen Hubschrauberlärm und dem ohrenbetäubenden Quietschen bremsender Züge – bis Ende September sendet das Hallenser Radio-Festival „Radio Revolten“ eine „Versuchsabstrahlung ohne Programm“. So ist es momentan noch auf der Internetseite des Festivals zu lesen. Und zu hören.

Danach – um null Uhr am 1. Oktober – beginnt ein Monat, in dem die Elite der internationalen Radiokunst ihre Werke, Ideen, Geräuschansammlungen in Halle vorstellt. Eingeladen sind 70 Künstler aus 17 Ländern. „Als wir mit der Organisation begannen, haben wir gemerkt, dass es ein riesiges Interesse der Radiokünstler am Festival gibt“, sagt Knut Aufermann, künstlerischer Leiter und selbst Radiokünstler. Von ihm stammt auch die „Versuchsabstrahlung“, die ab 1. Oktober den Radio-Kunstwerken weichen wird. Das Festival ist das zweite seiner Art. Das erste gab es vor zehn Jahren in Halle - in wesentlich kleinerer Ausführung.

Die meisten Beiträge in diesem Jahr werden Hörkunst-Weltpremieren sein, für die das Festival die UKW-Frequenz 99,3 und Mittelwelle 1575 kHz nutzt. UKW ist vor allem in Halle zu hören, Mittelwelle im Umkreis von etwa 200 Kilometern. Außerdem gibt es einen Livestream im Internet.

Was genau während der 720 Festival-Sendestunden zu hören sein wird, wissen auch die Organisatoren noch nicht, denn fast alle Werke wurden extra für dieses Festival produziert oder entstehen spontan vor Ort. Fest steht: Die Stadt wird nicht mit Radiowellen und Radiokunst beschallt, einzelne Räume und Orte dagegen schon. Etwa die Moritzburg, das Stadtmuseum, der Botanische Garten oder die Kulturstiftung des Bundes, in der das zeitgleich stattfindende Werkleitz-Festival eine Ausstellung zeigen wird. Auch die Türmerwohnung in den Hausmanns­türmen der Marktkirche gehört zu den Spielstätten. Von dort sendet das „Radioorakel“ jeden Tag eine Stunde Weissagungen. Was das bedeutet und wie sich das anhört, kann Festival-Organisator Aufermann nicht sagen. Auch er wird den Turm ersteigen und das Orakel seines Künstlerkollegen Marold Langer-Philippsen befragen. „Vielleicht werde ich auch versuchen, es durch Geschenke gütig zu stimmen“, sagt Au­fermann.

Insgesamt gibt es während der nächsten vier Wochen in Halle 47 Performances (Eintritt frei), vier Konferenzen und zahlreiche Workshops. Zum Beispiel einen, in dem man seinen eigenen Radiosender zusammenlöten kann.

Auch wenn der Festivaltitel „Radio Revolten“ irgendwie kämpferisch und nach Aufbegehren gegen das klassische Radioprogramm klingt: Das sogenannte „konventionelle“ Radio hat großes Interesse an der Kunst. Deshalb senden sowohl Deutschlandradio als auch der Österreichische Rundfunk (ORF) mehrere Festivalbeiträge.

Zur offiziellen Eröffnung am Sonnabend um 18 Uhr führt Rochus Aust seine 8. Symphonie zusammen mit dem „1. Deutschen Stromorchester“ auf dem Hallenser Marktplatz auf. Das „Stromorchester“ besteht aus 120 elektrischen Geräten, die „in Gruppen getaktet, gedimmt und getunt“ werden, damit „heftige Klangmassive und filigrane Miniaturen“ entstehen, wie Aust verspricht. „Es wird während dieser 720 Stunden nichts zu hören sein, was an klassisches Radio erinnert“, sagt Knut Aufermann, der am Radio besonders schätzt, dass man es jederzeit abschalten kann.