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Schlossfestspiele Große Leichtigkeit aus tiefem Blech

Die „Last Night“ der 21. Schlossfestspiele war eine archäologische Spurensuche zu Komponisten, ihren Werken, zu Solisten und zu Kulturen.

Von Hans Walter 04.09.2016, 23:01

Wernigerode l Mit Mozarts Ouvertüre zu „Die Entführung aus dem Serail“ ging es geradewegs hin in die Türkei. Dann ein Aufsehen erregender Carl Maria von Weber. Eine Reminiszenz an den diesjährigen „Freischütz“; das dreisätzige Concertino für Klarinette und Orchester Opus 26, 1811 entstanden. In der Romanze des Mittelsatzes vermeint man schon die geheimnisvolle Welt dieser Oper zu hören.

Ein brillantes Stück, interpretiert von dem erst 13 Jahre alten Lyuta Kobayashi. Der Junge ist hochtalentiert. Unterricht erhielt er bei seinem japanischen Vater, Klarinettist im Loh-Orchester Sondershausen (Thüringen). Er räumte bei Wettbewerben bisher nur erste Preise ab. Das thüringische Ministerium für Kultur ermöglicht ihm mit einem Stipendium für musikalisch Hochbegabte das Jungstudium an der Berliner Hanns-Eisler-Hochschule.

Unglaublich, wie viel Luft in dem zarten Jungen steckt. Er sang förmlich auf dem Instrument. Keck, vorwitzig, nachdenklich; von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Virtuos!

Weiter ging es mit Tschaikowskis arabischem Tanz aus der Nussknacker-Suite. Das 1954 entstandene Konzert für Basstuba und Orchester f-Moll des Engländers Ralph Vaughan Williams folgte, interpretiert von Rubén Durá de Lamo. Ein ganz großer Tubist, der europaweit der Neuen Musik zum Durchbruch verhilft. Schön, wie er mit Flöte, Horn und dem Schlagwerk dialogisierte und die enorm lange Luftsäule zum Schwingen und Klingen brachte.

Ganz große Leichtigkeit und Heiterkeit in diesem Konzert – wann hört man schon ein Solostück für das tiefste Blechblasinstrument? De Lamo war tänzerisch, ironisch und vor allem dynamisch. Von Flüstern bis Schreien – er konnte alles mit seinem Instrument! Zehn Euro pro Eintrittskarte habe Orchesterchef Christian Fitzner für die Williams-Rechte zahlen müssen. Aber für den Glanz der „Last Night“ lohnte der Aufwand.

Nach der Pause wurde es märchenhaft. Von Gabriel Pierné erklang die 1894 komponierte viersätzige indische Legende um „Izéÿl“. In sie verknallt sich ein Königssohn; doch Prinzessin Izéÿl ist in einen indischen Mönch verliebt – in Siddharta Gautama, den zukünftigen Begründer des Buddhismus. Er pfeift auf ihre Liebe und drängt sie zur Enthaltsamkeit. Als sie dem Königssohn endgültig den Laufpass gibt, wird Izéÿl wegen ihrer Keuschheit zur Märtyrerin und gesteinigt. Diese gefällige Tondichtung war die Brücke zur Ausstellung „Der Schmuck der Maharadschas“. Ein exotisch-kapriziöses Orchesterstück, von Christan Fitzner fein ausgedeutet.

Bis zum traditionellen „Pomp And Circumstance“-Rauswerfer gab es noch viel effektvolle Filmmusik von Menken, Elfmann, Rota und von Alfred Schnittke. Sein Tango aus dem Elem-Klimov-Film „Agonie“ über Leben und Tod des teuflischen Mönchs Rasputin am Zarenhof Nikolaus II. war herzzerreißend schön! Und dann kam noch eine Uraufführung – von Maximilian Ponader, dem Regisseur der „Freischütz“-Aufführung, ein sinfonisches Liebeslied, komponiert für einen Wettbewerb.

Als Zugabe nach minutenlangem Applaus erschien dann zart wie der Frühling die heiß­ersehnte Prinzessin Leia aus „Star Wars“. Herz, was willst du mehr auf der Spurensuche zu Weber, zu den fernöstlichen Weisheiten und zur Liebe?