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Theater Stendal Netschajew: „Habe kein anderes Haus“

Stendals Theaterintendant Alexander Netschajew verlässt das Haus. Für seine Kündigung gibt er familiäre Gründe an.

Von Grit Warnat 18.02.2017, 00:01

Stendal l Die Theaterferien sind gerade zu Ende, da wird am Donnerstag zu einer Sitzung für die Belegschaft geladen. Die kommt überraschend.

Der Intendant redet, und der Oberbürgermeister Stendals ist mit dabei. Alexander Netschajew verkündet seinen Mitarbeitern, dass er seinen Vertrag zum Ende der Spielzeit 2017/18 gekündigt hat. Er betont, dass das fristgerecht ist. Und trotzdem überrascht der Zeitpunkt. Netschajew hat erst im vergangenen Sommer seinen Vertrag um fünf Jahre verlängert. Es gab viel Hin und Her. Denn der Verlängerung ging eine in aller Öffentlichkeit ausgetragene Diskussion um die Bezüge für den Intendanten voraus. Der hatte mehr für seine Leistung gefordert und auch mehr bekommen, allerdings weniger, als urspünglich abgesprochen war.

Netschajew hatte seine Mehrforderung vor allem mit den Strukturen begründet. Wer in Stendal Theaterchef ist, hat neben der künstlerischen Verantwortung auch jene für das Kaufmännische zu tragen. Zudem stand Netschajew nicht nur selbst auf der Bühne, er hat immer auch selbst inszeniert. Das ist an solch einem kleinen Haus Usus, vor allem, um Ausgaben für Gastregisseure kleiner zu halten. In der aktuellen Spielzeit inszeniert der gebürtige Berliner aber nicht.

Jetzt die Kündigung. Netschajew begründet diesen Entschluss mit der Familie. Seine Lebensgefährtin, deren Tochter, sein jüngerer Sohn, seine Mutter sind alle im Süden Bayerns zu Hause. „In der Spielzeit 18/19 ist meine Familie dran.“ In den vergangenen Wochen sei in ihm der Entschluss gereift, im Sommer 2018 nach immerhin sieben Jahren in Stendal aufzuhören.

Seit Sommer 2012 ist der heute 47-Jährige in Amt und Würden, als designierter Intendant ging es für ihn im September 2011 schon los. So lange als Intendant an einem Haus ist in Theaterkreisen schon eine beachtliche Zeit. Netschajew spricht gegenüber der Volksstimme von „sieben biblisch anmutenden Jahren“. Dirk Löschner, Netschajews Vorgänger, ging nach drei Jahren vom Theater der Altmark weg. Löschner suchte eine neue Herausforderung, wechselte an ein Drei-Sparten-Haus. Stendal hat mit dem Schauspiel nur eine Sparte.

Wohin geht Alexander Netschajew? „Ich habe kein anderes Haus, das auf mich wartet“, sagt er und schließt an, dass er aber Augen und Ohren offenhalten werde.

Es sei viel für das Haus erreicht worden, sagt er. Er hat nach Abbau im Stellenplan auf unter 70 Leute wieder aufstocken können, „was dringend notwendig und sehr gesund war“. Heute steht im Stellenplan eine 74. Auch der Investitionsstau ist in Fluss gekommen: Theaterbus, Steuerung der Obermaschinerie, IT-Netzwerk. „Wenn jetzt noch der energetischen Sanierung des Theatergebäudes zugestimmt wird, dann steht auch das Gebäude sehr gut da“, sagt Netschajew. Er spricht von einem „gut bestellten Haus“.

Der 47-Jährige geht mit einer ordentlichen Kündigung. Er verantwortet noch die nächste Spielzeit, seine sechste dann.

Der Abgang Netschajews ist Thema in der Stadt. Gemunkelt wird schon, wer gekündigt hat, der ist gedanklich nicht mehr da. Auszeiten würde er sich bereits jetzt genehmigen. Netschajew dazu: „Der Fußballer sagt, die Wahrheit liegt auf dem Platz.“ Der Fußballplatz ist in seinem Fall die Bühne.

Eine Entlastung aber hat er ohnehin, weil er sich als scheidender Intendant inhaltlich nicht mehr um die Spielzeit 2018/19 kümmern muss. Laut Theaterchef ist das Auftrag des Nachfolgers bzw. der Nachfolgerin.

Die Nachfolge muss möglichst bald von der Stadt geklärt sein. Spielzeitpläne brauchen lange Vorlaufzeiten und Vertragspartner reagieren immer verhalten, wenn ein neuer Intendant kommt. Als Landesbühne verkauft das Theater der Altmark seine Inszenierungen als Gastspiele. Sie sind wichtige Einnahmequelle. Zudem stehen im kommenden Jahr die Gespräche und Verhandlungen um die neuen Theaterverträge mit dem Land an.

Aus dem Stendaler Rathaus heißt es, es wird zunächst eine interne Ausschreibung geben. Das sei seit vielen Jahren Grundsatz am Hause, sagt Stadtsprecher Klaus Ortmann. Auch die Vorgänger-Intendanten-Stellen seien erst intern ausgeschrieben, dann aber doch extern besetzt worden. Im Juli zumindest soll der Nachfolger feststehen.