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Interview mit Diplom-Pädagogin und Autorin Frau Mierau, wieso empfehlen Sie „Co-Sleeping“?

Es gibt wenig, das Eltern so fertig macht, wie der Schlafmangel. Die Lösungskonzepte sind vielfältig und klappen selten: Ein Einschlaftraining hilft, sagen die einen. Auf gar keinen Fall, sagen die anderen. Ein großes Familienbett für alle oder eine Einschlafbegleitung? Dann verpasst das Elternteil allerdings die wenigen Momente am Abend für sich. Die Autorin Susanne Mierau verspricht Abhilfe vom Schlaf-Desaster mit ihrem neuen Buch „Das Schlafbuch für die ganze Familie.“ Ein Gespräch über die wichtigsten Schlaftipps.

Aktualisiert: 12.03.2024, 10:55
Eine Familie sucht ihren Schlaf.
Eine Familie sucht ihren Schlaf. (Foto: IMAGO/Panthermedia)

Von Lena Högemann

Die Autorin Susanne Mierau will mit ihrem „Schlafbuch für die ganze Familie“ Großes erreichen: Dass Eltern endlich zu ihrem Schlaf kommen und Kinder gut begleitet einschlafen. Wie der Schlaf der Großen und der Kleinen zusammenhängt und was Eltern konkret tun können, erklärt sie im Interview mit Lena Högemann.

Frau Mierau, Schlaf ist ein absolutes Grundbedürfnis. Sie beschreiben, dass es als Elternteil fast unmöglich ist, total übermüdet ein Kind liebevoll zu versorgen. Warum kümmern wir Eltern uns so wenig um unseren eigenen Schlaf?

Susanne Mierau: Wir schlafen einfach zu wenig und geben anderen Dingen, wie Leistung und Arbeit, einen höheren Stellenwert als unserem Schlaf. Dabei sehen wir gar nicht, wie stark der Schlaf sich auf unser Leben auswirkt. Wenn wir zu wenig schlafen, sind wir viel weniger leistungs- und beziehungsfähig.

Eine Familie sucht weiter nach ihrem Schlaf.
Eine Familie sucht weiter nach ihrem Schlaf.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)

Dazu kommt noch, wie wir als Eltern Schlafen gelernt haben. Früher wurde Schlafen oft als Bestrafung eingesetzt. Wir haben einfach nicht gelernt, wie schön schlafen sein kann. Jetzt können wir es den Kindern anders mitgeben. Wir können zeigen: Schlafen ist etwas Schönes.

Für viele Eltern ist es stressig, ein Kind ins Bett zu bringen. Es dauert lange, das Kind will nicht ins Bett. Sie beschreiben in Ihrem Buch den Schlafdruck, den es braucht, um einzuschlafen zu können. Was heißt das genau?

Susanne Mierau: Der Körper wird im Laufe des Tages müde, weil sich im Gehirn Stoffwechselprodukte ablagern: Das Molekül Adenosin entsteht und macht uns im Laufe des Tages müde. Wir müssen ausreichend müde sein, um einschlafen zu können. Das kennen wir Erwachsene. Wenn man den ganzen Tag nur rumgelegen hat, statt sich zu bewegen, kann man schlechter einschlafen. Das ist bei Kindern genauso, wenn sie sich weniger bewegen bei schlechtem Wetter oder ähnlichem. Gleichzeitig gibt es auch die Situation, dass Kinder so doll drüber sind, dass es ihnen auch schwer fällt einzuschlafen, weil sie zu müde sind.

Woran erkenne ich denn, ob mein Kind wirklich müde ist oder nicht oder ob es nur sagt, dass es nicht müde ist?

Susanne Mierau: Es gibt verschiedene körperliche Symptome. Wir kennen das Augenreiben und Gähnen, das sind schon späte Müdigkeitszeichen. Wir Eltern können die Müdigkeit schon früher erkennen, wenn die Kinder einen glasigen Blick bekommen, am Abendbrottisch gar nicht mehr richtig essen können und nur vor sich hinstarren. Das ist aber auch bei jedem Kind unterschiedlich.

Oh jeee: Eine Familie sucht immer noch ihren Schlaf.
Oh jeee: Eine Familie sucht immer noch ihren Schlaf.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)

Wichtig ist es, das Einschlafen mit schönen Ritualen zu gestalten. Zum Beispiel, zu sagen: Wir räumen zusammen auf und erklären ihnen, dass die Spielsachen sich jetzt auch ausruhen. Wir können ein Buch vorlesen, etwas Vorsingen oder eine Massage anbieten. Das Kind kann sich auch gerne etwas davon aussuchen, dann erlebt es eine Selbstwirksamkeit. Das hilft.

Sie beschreiben in Ihrem Buch das Konzept des Co-Sleepings, also dass Eltern und Kinder gemeinsam schlafen. Wieso empfehlen Sie das?

Susanne Mierau: Vielen Kindern gibt es Sicherheit, wenn sie in der Nähe ihrer Bezugspersonen sind. Schließlich sind sie noch auf das Umsorgt- und Beschützt werden angewiesen. In der Dunkelheit haben kleine Kinder oft noch Angst und die Nähe beruhigt sie.

Auch interessant: Die Hallenserin Juliane Telle hat selbst erlebt, wie müde und verzweifelt junge Eltern sein können. Als Schlafcoachin erarbeitet sie nun gemeinsam mit Familien Lösungen.

Wichtig ist aber auch: Co-Sleeping ist dann gut, wenn es für alle Beteiligten okay ist. Es ist ganz wichtig, dass es mir als Elternteil auch gefällt. Wenn ich das nicht mag, wenn das Kind neben mir schläft, überträgt sich das sonst auf das Kind.

Es gibt aber auch Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder auf Dauer bei ihnen schlafen. Die Fragen aller Fragen ist für diese Eltern: Wie lernt mein Kind, alleine zu schlafen?

Susanne Mierau: Ganz wichtig ist, dass die Eltern wissen: Ich habe als Eltern ein Recht darauf, gut zu schlafen und ich bin kein schlechtes Elternteil, weil mein Kind nicht bei mir schlafen darf.

Susanne Mierau: „Das Schlafbuch für die ganze Familie“, erschienen am 6.März im Beltz-Verlag, 22 Euro
Susanne Mierau: „Das Schlafbuch für die ganze Familie“, erschienen am 6.März im Beltz-Verlag, 22 Euro
Beltz-Verlag

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Dann schauen wir mit dem Kind: Wie machen wir es dir gemütlich? Was brauchst du, um gut schlafen zu können? Das können eine Nachtlampe oder ein Kuscheltier sein, kleine Lichter im Flur, wenn das Kind doch ins Schlafzimmer der Eltern hinüberläuft. Zuerst bleibe ich als Elternteil beim Kind zum Einschlafen, dann kann ich sagen: Ich mache jetzt kurz was in der Küche und komme danach noch einmal vorbei. So kann das Kind sicher sein, dass noch jemand kommt und nach ihm guckt.

Gibt es ein Alter, ab dem Kinder alleine schlafen und auch alleine einschlafen können sollen?Das ist sehr individuell. Manche Kinder schlafen sehr früh sehr entspannt und lassen sich leichter ablegen, andere Kinder brauchen lange eine Begleitung beim Einschlafen. Es gibt viele Faktoren, die das beeinflussen: Geräusche im Umfeld, die Persönlichkeit des Kindes oder auch Umbrüche im Leben des Kindes. Altersangaben funktionieren dabei nicht.

Bei Eltern, die ihr Kind bedürfnis- und bindungsorientiert erziehen, ist die Einschlafbegleitung hoch im Kurs. Das bedeutet: Ich sitze als Mutter oder Vater so lange bei meinem Kind, bis es schläft. Warum ist das gut?

Susanne Mierau: Und was ist mit dem guten alten „Ins Bett bringen“ passiert?Das Begleiten in den Schlaf gibt vielen Kindern ein Gefühl von Sicherheit und kann mit schönen Ritualen kombiniert werden, beispielsweise um nochmal den Tag Revue passieren zu lassen.

Das Problem beim Einschlafbegleiten ist: Wenn der Schlafdruck beim Kind nicht da ist, funktioniert es nicht. Eine Einschlafbegleitung über dreißig Minuten hinaus ist für viele Eltern zu viel. Hier kann man überlegen, woran das liegt und was anders gemacht werden könnte: Ist das Kind nicht müde? Ist es vom Schlaftyp eher eine Eule und wird später müde? Will ich es nur ins Bett bringen, um endlich „frei“ zu haben? Vielleicht geht das auch, indem ich meinem Kind sage, dass es noch wach bleiben darf, ich aber jetzt nicht mehr spiele.

Es gibt ja in vielen Familien mit kleinen Kindern, in denen die Mutter in Elternzeit ist oder Teilzeit arbeitet und der Vater voll erwerbsarbeitet den Mythos, dass die Frau sich nachts um das Kind kümmert, damit der Vater für die Arbeit ausgeschlafen ist. Was entgegnen Sie?Susanne Mierau: Das ist eine ganz fiese Geschichte. Ja, wir müssen ausgeschlafen sein für Erwerbstätigkeit, aber zu sagen, dass die Erwerbstätigkeit wichtiger ist als die Carearbeit, das stimmt einfach nicht. Wir wissen, dass Frauen mehr Schlafprobleme haben, mehr Burnout, mehr Depressionen. Beide Elternteile brauchen genug Schlaf, das gilt für die Erwerbsarbeit genauso wie für die Care-Arbeit.

Wenn ich schlecht schlafe, bin ich weniger feinfühlig meinem Kind und meinem Partner gegenüber. Frauen betreuen ihre Kinder mehr (Gender Care Gap), haben ein geringeres Einkommen (Gender Pay Gap) und später weniger Rente (Gender Renten Gap). Wenn sie jetzt auch noch weniger schlafen, sind sie noch mehr benachteiligt, weil sie in ihrer Teilzeit-Stelle müde sind. Man kann nicht mehr daran festhalten, zu sagen: Wer mehr erwerbsarbeitet, darf mehr schlafen. Das ist unfair und ungesund.