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Pflegekasse Schwerer Weg für Rollstuhlrampe

Dank einer von ihr selbst finanzierten Rollstuhlrampe kann eine pflegebedürftige Frau künftig im Auto ihrer Verwandten mitfahren.

Von Gudrun Oelze 24.04.2016, 23:01

Halberstadt l In Emersleben, einem Ortsteil von Halberstadt, wird der familiäre Zusammenhalt augenscheinlich großgeschrieben. So erinnern sich die Eheleute Rapmund gern und dankbar daran, dass sich eine Cousine und ein Cousin – beide unverheiratet, kinderlos und im gleichen Ort wohnend – einst liebevoll um ihre vier Kinder kümmerten.

„Wir als Eltern konnten immer arbeiten gehen, denn wir hatten ja jemanden, der uns Hilfe anbot“, blickt Annegret Rapmund zurück. Inzwischen 79 und 82 Jahre alt, sind Cousine und Cousin jetzt aber selbst hilfebedürftig, leben in einem Seniorenheim. Dort besuchen die Verwandten sie regelmäßig, schieben den Rollstuhl auch oft zu einem Gartenlokal, wo sie sich mit anderen zur Kaffeetafel treffen.

Nun ist Herr Rapmund aber selbst Erwerbsunfähigkeits-Rentner und nicht in der Lage, Cousine Johanna Hundertmark in ihrem Rollstuhl lange über „Huckelpflaster“ zu schieben. Darum beantragten er und seine Frau bei der Pflegekasse die Kostenübernahme für eine Rampe zum Auto, damit sie die Verwandte künftig nicht nur in das Gartenlokal, sondern auch zu Familienfeiern und zu Ausflügen in den Harz kutschieren können. Für Rampe samt Befestigungshalterungen wären rund 1750 Euro aufzubringen. Doch die Pflegekasse lehnte ab, weil es sich um Maßnahmen außerhalb des individuellen Wohnumfeldes der Pflegebedürftigen handelt.

Da Frau Hundertmark selbst aber nicht ganz mittellos ist, wandten sich ihre Verwandten an den gerichtlich bestellten Betreuer. Der hatte zwar nichts gegen die Umrüstung des Autos – aber auf eigene Kosten von Familie Rapmund, ließ er sie wissen. Die dann anfallenden Fahrtkosten könnten dann ja wie ein Behindertentransport abgerechnet werden … „Doch das wäre in unseren Augen gewerbsmäßig. So wird unsere Cousine wohl demnächst ihre Sonntage im Heim verbringen müssen.

Brauchen alte Leute laut Behörden etwa keine Abwechslung, keine Ausflüge und keine außerhalb des Heimes stattfindenden familiären Beziehungen?“, fragt Annegret Rapmund in ihrem Schreiben an den Leser-Obmann. Der wandte sich an den Direktor des zuständigen Gerichtes und bat zu prüfen, warum in diesem Fall die Rollstuhlrampe am Auto der Verwandten denn nicht von den Ersparnissen der Seniorin bezahlt werden könne.

Der vom Gericht bestellte Betreuer für Frau Hundertmark sei beauftragt und berechtigt, die finanziellen Angelegenheiten der Dame wahrzunehmen. „Es ist also nicht das Gericht, das hier über die Frage, welche Ausgaben getätigt werden sollen, zu entscheiden hat“, stellte Frithjof Büttner zunächst klar. Der Betreuer verwalte sowohl Einnahmen als auch Ausgaben und lege einmal jährlich darüber dem Gericht Rechenschaft ab, so der Direktor des Amtsgerichts Halberstadt. Ob die getätigten Ausgaben den Interessen des Betreuten entsprochen haben, prüft der zuständige Rechtspfleger.

Obwohl er als Direktor des Gerichts nicht befugt sei, in dessen sachliche Entscheidungskompetenz einzugreifen, habe er über diese Angelegenheit sowohl mit dem zuständigen Rechtspfleger als auch mit dem Betreuer von Frau Hundertmark gesprochen. „Beide waren sich einig, dass die infrage stehende Ausgabe ganz offensichtlich allein der Betreuten zugutekommen würde und dass nicht der Anschein entsteht, sie erfolge lediglich oder überwiegend zum Vorteil anderer“, teilte uns Frithjof Büttner mit.

„Da die wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau Hundertmark glücklicherweise so sind, dass die Ausgabe von ihr gut verkraftet werden kann, sehen sowohl der Betreuer als auch der Rechtspfleger keine Bedenken, wenn die Rollstuhlrampe auf der Basis des günstigsten vorliegenden Kostenvoranschlages angeschafft und eingebaut wird.“

So wird Frau Hundertmark dank einer von ihr selbst finanzierten und vom Betreuer genehmigten Rollstuhlrampe im Auto der Verwandten vielleicht schon bald wieder mit am Kaffeetisch ihres Lieblings-Lokals sitzen können.