1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die Promi-Geburtstage vom 10. Oktober 2015: Gail Halvorsen

Die Promi-Geburtstage vom 10. Oktober 2015: Gail Halvorsen

09.10.2015, 23:01

Spanish Fork (dpa) - Die Berliner Kinder wussten genau, wenn er kam. Stundenlang warteten sie manchmal am Zaun des Flughafens, bis eine DC-4 reinkam, die mit den Flügeln wackelte. Das war er, Gail Halvorsen.

Unmittelbar vor dem Zaun flogen kleine Fallschirme aus dem Flugzeug, daran Schokolade und Bonbons. Die Geste eines US-Offiziers machte die Berliner Luftbrücke weltweit populär. Sie verstärkte kurz nach dem Krieg zudem die deutsch-amerikanische Freundschaft und verpasste dem Piloten einen Spitznamen, auf den er bis heute stolz ist: Onkel Wackelflügel wird 95.

Halvorsen lebt heute auf einer Farm in Utah. Mir geht es hervorragend, sagt er der dpa. Ich reite jeden Tag, und ich wandere auch. Nur die Arbeit auf der Farm, das soll jetzt die Familie machen. Er reist sogar noch, sogar nach Deutschland. Berlin ist meine zweite Heimat, sagt er - auf Deutsch.

Vor fast 70 Jahren gehörte er zu den Piloten, die täglich Berlin aus der Luft versorgten. Die Russen wollten die Stadt aushungern und so die Amerikaner zum Abzug zwingen. Eines Tages habe ich am Zaun des Flughafens Tempelhof ein paar Kinder stehen sehen. Sie taten mir leid, und ich wollte ihn ein paar Bonbons geben. So etwas hatten sie ja seit Jahren nicht gesehen. Er hatte aber nicht genug. Also versprach ich wiederzukommen. Und als sie fragten, wie sie mich erkennen, sagte ich: Ich wackle mit den Flügeln.

Zurück in Westdeutschland bastelte Halvorsen kleine Fallschirme - aus seinen Taschentüchern. Daran befestigte er Schokolade und Bonbons und die warf er beim nächsten Landeanflug in Tempelhof aus dem Fenster. Das sprach sich so schnell herum, dass die Schar der Kinder immer größer wurde.

Halvorsens Kameraden machten bald mit und so segelte immer mehr Candy aus den amerikanischen Flugzeugen. Schließlich bekamen das auch seine Vorgesetzten mit, und so bekam alles eine politische Dimension. Eine Aktion, die Feinde von gestern zusammenrücken ließ, kam gerade recht. Und so spendeten Tausende Kinder in den USA ihre Bonbons und bastelten gleich kleine Fallschirme dazu. 

Ich wollte die eigentlich auch in Ost-Berlin abwerfen. Die Kinder hatten ja noch weniger, erzählt Halvorsen. Aber die Russen waren dagegen und haben solch einen Druck gemacht, dass meine Vorgesetzten mir das verboten haben. So blieb mehr für die Westberliner Kinder: Mehr als 23 Tonnen Schokolade und Bonbons wurden während der Luftbrücke abgeworfen.

Selbstverständlich war das für den Amerikaner nicht. Der Krieg war ja gerade aus, sagt er. Und dann war da die Erinnerung an Conrad. Das war mein bester Freund, und ich hatte ihm das Fliegen beigebracht. Im Krieg flog er ein Jagdflugzeug und wurde von den Deutschen abgeschossen und getötet. Die selben Deutschen, die ich jetzt jeden Tag mit Essen versorgte. Dann habe er mehr Deutsche kennengelernt und sich irgendwann gesagt: Im Grunde sind doch alle Völker gleich. In der Tiefe ihres Herzens wollen sie vor allem Frieden.

Halvorsen sagt selbst, dass die Luftbrücke das einschneidendste Erlebnis seines Lebens war. Obwohl danach noch einiges kam, selbst ein Aufenthalt in Deutschland als Kommandant des Flughafens Tempelhof - eben jenes Flughafens, den er mit seiner DC-4 immer angeflogen hatte. Wenn er seine alte Offiziersjacke anzieht, hängen da gleich mehrere Orden aus Deutschland dran. Ich bin so gern drüben, sagt er. Die Menschen sind so freundlich und ja, immer noch dankbar. Dass sogar Schulen nach ihm benannt sind, ist ihm fast peinlich. 

Vor dem 95. Geburtstag packt Halvorsen gerade seine Sachen. Den Winter verbringt er immer in Arizona, da ist es einfach wärmer als in Utah. Für Programm ist auch gesorgt: Ich habe 24 Enkel und 43 Urenkel. Glauben Sie mir, Langeweile gibt es da nicht eine Sekunde!