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Neues Abfallsystem Gebühren werden steigen

Überraschende Wendung bei der Abfallentsorgung im Jerichower Land: Die Einführung des sogenannten Identsystems lässt die Gebühren steigen.

Von Falk Heidel 27.10.2016, 11:00

Burg/Genthin l Der Landkreis hat am Dienstag ein Gebührenmodell vorgestellt. Nach diesen Zahlen sollen wir Verbraucher ab März nächsten Jahres höhere Müllgebühren überweisen. Überraschend war für Beobachter, dass die Gebühren nicht sinken werden, wie bisher prognostiziert, sondern ansteigen. Ein Beispiel:

Eine vierköpfige Familie zahlt für ihre 80-Liter-Restmülltonne aktuell 153 Euro pro Jahr. Dafür darf sie ihre Tonne 26-mal pro Jahr zur Entleerung vor die Haustür stellen. In diesen Kosten sind Biomülltonne und Grünschnitt enthalten.

Diese vierköpfige Familie zahlt im nächsten Jahr 159 Euro pro Jahr, wenn sie für Restmüll und Bio jeweils 80-Liter-Tonnen nutzt. Allerdings sind mit dieser Summe für jede Tonne nur 13 Leerungen enthalten. Jede weitere Leerung kostet extra: 3,24 Euro für die schwarze Restmüll-Tonne und 1,82 Euro für die braune Biotonne. Bedeutet: Lässt die Familie ihre Tonnen 20-mal leeren (statt bisher 26-mal), zahlt sie jährliche Gebühren in Höhe von 194 Euro. Das ist eine Steigerung von 27 Prozent.

Grünschnitt können die Verbraucher nach wie vor bei den Sammelstellen und Wertstoffhöfen (alle mit individuellen Öffnungszeiten) abliefern. Ab März sind pro Kubikmeter Grünabfall zwei Euro fällig. Laut Konzept der Berliner Firma Gavia soll das Grünschnitt-Volumen bei der Abgabe geschätzt werden. Geschäftsführer Dietrich Dehnen stellte ein komplexes Gebührenmodell am Dienstag dem Umweltausschuss des Kreistages in Burg vor. Aus seiner Sicht ist dieses Modell gerechter: „Es setzt deutliche Anreize zur Trennung von Wertstoffen und zur Eigenkompostierung.“ Zudem geht er davon aus, dass „eine Reduzierung der Gesamtabfallmenge zu erwarten ist“.

Die neue Gebührensatzung ist kompliziert und undurchsichtig. Waren bisher alle Leistungen mit einer jährlichen Pauschale abgegolten, setzen sich die Gebühren jetzt aus mehreren Komponenten zusammen.

  • Jeder Verbraucher vom Baby bis zum Greis zahlt eine Grundgebühr von jährlich zwölf Euro.
  • Hinzu kommt eine Grundgebühr für jede Tonne. 45 Euro jährlich für 80 Liter. 68 Euro für 120 Liter.
  • Dritte Komponente sind die Gebühren für jede einzelne Leerung der Tonnen (schwarz und braun), zum Beispiel 3,24 Euro für einen schwarze 80-Liter-Restmüllbehälter.

Welche Kosten verursacht die Abfallentsorgung pro Jahr im Jerichower Land?

  • Sammlung und Verwertung von Restabfall und Sperrmüll – 4,3 Millionen Euro
  • Sammlung und Verwertung Bioabfall – 1,4 Millionen Euro
  • Verwaltung – eine Million Euro
  • Neueinrichtung Identsystem – 670.000 Euro
  • Grünschnitt – 600.000 Euro
  • Papier – 440.000 Euro (Erlöse aus dem Verkauf sind schon eingerechnet)
  • Schadstoffe und illegale Abfälle – 165.000 Euro
  • Sonstiges – 800.000 Euro

Insgesamt kostet unsere künftige Abfallentsorgung 9,4 Millionen Euro. Verblüffend: Vor einigen Monaten war noch die Rede von einer Zwei-Millionen-Euro-Ersparnis mit Einführung des neuen Abrechnungs-Systems. Prognostiziert hatte dies Caroline von Bechtolsheim, die für ihre Sozietät Gaßner, Groth, Siederer & Collegen in Berlin vor einem Jahr im Auftrag des Landkreises einen Analyse des Abfallsystems erstellte.

Die damaligen Entsorgungskosten in Höhe von 9,6 Millionen Euro bezeichnete sie als exorbitant teuer. Sie erstellte ein Konzept, dass die Kosten auf sieben Millionen drückt. Doch davon ist aktuell keine Rede mehr. Zwischendurch hat sich der Landkreis von der Berliner Sozietät getrennt und durch das Unternehmen Gavia (ebenfalls aus Berlin) von Dietrich Dehnen ersetzt. Auf Nachfrage der Volksstimme erklärte Sachgebietsleiter Christian Täger: „Der Wechsel innerhalb eines ganz normalen Vorgangs hatte ausschließlich wirtschaftliche Gründe.“

Im Umweltausschuss sagte Sören Rawolle (Ländliche Wählergemeinschaft): „Entgegen früherer Informationen wird das neue System teurer für die Bürger.“ Wolfgang Bernicke (Die Linke): „Wenn ich das neue System auf mein persönliches Entsorgungsverhalten ummünze, zahle ich künftig deutlich mehr. Was ist eigentlich aus den vorausgesagten zwei Millionen geworden, die eingespart werden sollten?“ Dietrich Dehnen (Gavia GmbH): „Die Kosten setzen sich aus den Preisen für verschiedenen Entsorgungsleistungen zusammen. Diesbezüglich sind einige Beträge nach der Ausschreibung gestiegen.“ Dr. Christoph Kaatz (Grüne): „Wir sollten uns mehr auf die Müllvermeidung konzentrieren. Dieser Aspekt kommt in der ganzen Debatte viel zu kurz.“

Ab sofort werden unsere Mülltonnen mit einem Chip nachgerüstet. Dazu fahren mehrere Teams mit Pkw durch den Landkreis. Alle Grundstücksbesitzer bekommen Infoschreiben vom Landkreis. Darauf steht, wann sie ihre Tonnen vor den Grundstücken stellen sollten. Das gilt für die schwarzen und die braunen Tonnen. Mit diesen Chips werden die Leerungen künftig elektronisch erfasst, unabhängig davon wie voll die Tonne ist. Die Infoschreiben enthalten auch Aufkleber, die ein Grundstücksbesitzer auf seine Tonnen kleben soll. Die Umrüstungsfirma bringt dann einen zweiten Aufkleber an.

In knapp zwei Monaten soll der Kreistag grünes Licht für eine neue Gebührensatzung geben. Bis dahin können Landkreis und Kreistag noch Änderungen am bisherigen Konzept vornehmen. Die europaweite Ausschreibung für die Müllentsorgung hat die AJL gewonnen, die auch bisher unsere Tonnen geleert hat.