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Sommerserie So ist‘s Recht: Tipps rund ums Grillen

Rezepte, Tipps und tolle Locations: Zwölf Folgen lang dreht sich jetzt zwei Mal wöchentlich alles rund um das Thema Grillen.

Von Gesine Biermann 13.07.2015, 20:02

Gardelegen l Die Abende sind hell und warm, das Fleisch und die Würstchen – sorry, wahlweise natürlich auch die Gemüsespieße oder der Grillkäse – springen einem beim Wochenendeinkauf förmlich von selbst in den Korb, und ein halber Sack Holzkohle liegt noch vom letzten Jahr im Keller. Da steht doch einem gemütlichen Grillabend auf dem Balkon oder im Garten hinterm Haus überhaupt nichts mehr im Weg!?

Falsch gedacht, manchmal zumindest. Denn die Sommerparty mit den Freunden kann immer noch ins sprichwörtliche Wasser fallen. Und Schuld daran müssen nicht einmal die plötzlich auftretenden Regenwolken sein, es könnte auch an den Mitbewohnern von oben oder den lieben Gartenbesitzern von nebenan liegen.

Es kann der Frömmste nämlich nicht in Frieden grillen, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt! Davon zeugen zahlreiche Urteile im Internet, und so mancher Kollege kann da sicher Storys erzählen, von Bekannten, die jetzt „laut Gerichtsurteil“ nur noch einmal jährlich grillen dürfen. Denn was dem einen schmeckt, schmeckt den anderen schon lange nicht mehr. Der Geruch von gebratenem Fleisch kann da offenbar schnell mal zur Anzeige führen, genau wie der beißende Rauch aus dem angrenzenden Schrebergarten oder wahlweise die laute Partymusik und schon ist‘s aus mit dem Grillen. Auf richterlichen Beschluss.

Doch Halt, „so einfach ist das natürlich nicht“, sagt die Fachfrau. Rechtsanwältin Romy Gille aus Gardelegen hat sich nämlich für die Volksstimme Zeit genommen, um über Rechtsfragen rund ums Grillen zu informieren. Und sie verweist in diesem Zusammenhang erst einmal grundsätzlich auf den Pararagrafen 2 des Deutschen Grundgesetzes, dessen erster Absatz da mit dem wichtigen Satz beginnt: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ Übersetzt heißt das: „Grundsätzlich kann ich erstmal machen, was ich will, also auch grillen“, versichert Gille. Allerdings hat dieser Satz auch noch einen zweiten Teil, auf den sie gleich darauf hinweist, und der da lautet: „...soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Und das mit den Rechten anderer ist im Fall Grillen offensichtlich der Knackpunkt. Denn wie der eine Nachbar ein Recht aufs Grillen hat, hat der andere natürlich ein Recht auf den ungestörten Genuss rauchfreier Luft.

Ein Teufelskreis...

Doch zum Glück gibt es auch für diese Problematik einen ausführlicheren Paragrafen, der sich explizit mit solchen unangenehmen Begleiterscheinungen wie Rauch und Gerüchen beschäftigt – schließlich grillen wir in Deutschland.

Wie Romy Gille sofort parat hat, steht der passende Gesetzestext im Bürgerlichen Gesetzbuch im Paragraphen 906 (siehe Infokasten) und regelt die „Zuführung unwägbarer Stoffe“, zu denen „Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen“ zählen.

Und all diese dürfen den Nachbarn oder Balkonnutzer nebenan eben nicht, oder „nur unwesentlich beeinträchtigen“. Und da ist sie eben doch wieder, die Crux des Grillens. „Denn was unwesentlich ist, lässt sich natürlich schwer fassen. Schließlich kann man diese Stoffe nicht fassen oder wiegen.“ Der eine sage vielleicht: ‚Es riecht heute aber gut beim Nachbarn‘, der andere findet: ,Es stinkt.‘ Und während echte Fans locker drei Mal in der Woche den Grill anschmeißen könnten und immer noch begeistert sind, ist es für den anderen schon ein Mal im Monat eine Zumutung, wenn er das riechen muss. Und so müssen tatsächlich manchmal die Gerichte entscheiden, ob und wie oft gegrillt werden darf, bestätigt Romy Gille.

Dafür, dass dabei selbst Richter zuweilen unterschiedlicher Meinung sind, hat sie auch gleich ein Beispiel parat: Geklagt hatte ein Mann vor dem Landgericht Osnabrück, weil seine Nachbarn über einen Zeitraum von fünf Monaten fast täglich vor der eigenen Garage grillten und praktischerweise auch gleich den Fernseher mit nach draußen nahmen. Der Kläger, dessen Fenster alle in diese Richtung hinaus lagen, fühlte sich sowohl durch Gerüche als auch Geräusche belästigt.

Zu Unrecht, fand das Landgericht, das den „allgemein örtlichen Lärmpegel“ als nicht überschritten sah. Zu Recht, fanden danach die Kollegen im Oberlandesgericht – immerhin die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit eines Bundeslandes – und kippten das Urteil. Angesichts der beengten räumlichen Verhältnisse untersagten sie dem geselligen Angeklagten schließlich sowohl das Grillen als auch das Fernsehen Open Air zwischen 22 Uhr und 7 Uhr morgens.

„Allerdings darf der Mann vier Mal im Jahr bis 24 Uhr grillen“, eben weil dieses Freizeitvergnügen bei vielen Menschen eine hohe Akzeptanz erfahre und sozial üblich sei. „Bei ganz bestimmten Anlässen darf es also auch mal etwas mehr sein“, sagt Romy Gille augenzwinkernd. „Mit der Spontanität ist es nach so einem Urteil allerdings vorbei. Oder wissen Sie heute schon, wann genau Sie dieses Jahr grillen wollen?“

Deshalb sei es auch durchaus angeraten, sich erst einmal mündlich untereinander zu verständigen, empfiehlt die Rechtsanwältin, und zwar idealerweise „in einem ruhigen und vernünftigen Ton“. Falls die Fronten schon zu verhärtet sind, biete sich alternativ auch ein netter Brief an, in dem man den grillwütigen Nachbarn um mehr Rücksicht bittet, oder andererseits den möglicherweise sehr geruchsempfindlichen Obermieter um Verständnis dafür, dass Geselligkeit und gutes Steak eben auch mal sein müssen. Denn anders als in einem Kompromiss lässt sich eine solche Situation nun mal nicht lösen.

Und einen solchen musste zum Beispiel auch das Amtsgericht Bonn vor einiger Zeit zum Thema Grillen finden. Hier ging es allerdings um das Innenverhältnis zwischen Vermietern und Mietern. „Oft streiten sich nämlich Mieter mit ihrem Vermieter, weil sie sich über ihre Mitbewohner ärgern“, sagt Gille. Genau so ist es auch in diesem Fall, den sie als Beispiel herausgesucht hat: Bewohner eines Mehrfamilienhauses hatten nämlich gegenüber den Eigentümern die Miete gemindert, weil einer der anderen Mitmieter so oft den Holzkohlegrill anheizte. Auch sie fühlten sich durch die Gerüche belästigt und sahen dies als Mietminderungsgrund an, den der Vermieter abzustellen habe. Und das war auch eigentlich gar nicht so falsch gedacht.

Denn tatsächlich gibt es einen Paragraphen im BGB, nämlich den § 536, der Mietern den „mangelfreien Gebrauch der Mietsache“ garantieren soll. Kann der Vermieter das nicht gewährleisten, ist der Mieter tatsächlich zu einer angemessenen Kürzung der Miete berechtigt. Allerdings könne dieser Anspruch nicht ohne jegliche Einschränkung gelten, machte das Gericht in diesem Fall klar. Zwar könnten in einem Mehrfamilienhaus „die mit dem sommerlichen Grillen unter Verwendung von Holzkohle einhergehende Belästigung durch Rauchgasentwicklung, Fett und Bratendünste durchaus lästig sein“, allerdings sei das Grillen mittlerweile so „üblich“, dass auch in einem „womöglich hochverdichteten Wohngebiet“ den Menschen dies nicht gänzlich untersagt werden kann. Kurz gesagt: Grillen ist erlaubt und der Vermieter muss nicht generell dafür sorgen, dass dies unterlassen wird.

Allerdings trafen die Bonner Richter im selben Urteil auch die Entscheidung, dass wiederum die Vermieter als Hauseigentümer „darauf hinzuwirken haben“, dass diese Belästigung durchs Grillen nicht überhand nimmt. Als angemessen sahen sie es an, dass auf Balkon oder Terrasse jeweils ein Mal monatlich gegrillt werden darf – und zwar in der Zeit zwischen April bis September. Und sie verlangten zusätzlich, dass dieser monatliche Grillabend immer im Vorfeld angekündigt werden müsse – und zwar 48 Stunden vor Beginn.

Aber wie? Muss man gar bei jedem Nachbarn persönlich klingeln, muss jeder einen Ankündigungszettel mit den genauen Daten im Postkasten vorfinden oder reicht ein Aushang im Treppenhaus, wo ihn jeder sehen kann? Gibt es in einem solchen Fall vielleicht Vorschriften, wie das geschehen muss? Nein, sagt Romy Gille. Offenbar gibt‘s selbst in Deutschland kein Gesetz für die Art und Weise, wie Nachbarn über ein Grillfest in Kenntnis gesetzt werden müssen. Dennoch hat die Anwältin in diesem Zusammenhang zwei wichtige Worte parat. Sie heißen „verlässlich informieren“.

Übersetzt bedeutet das: Zwar gibt es keine vorgeschriebene Form, dennoch muss derjenige, der grillen möchte – gilt auch für andere Feste im Mehrfamilienhaus – dafür Sorge tragen, dass ganz bestimmt jeder im Haus die Möglichkeit hat, davon zu erfahren. „Sie können nicht morgens einen Zettel in den Briefkasten der Nachbarn werfen und abends soll es schon losgehen! Das ist dann keine verlässliche Art zu informieren. Das ist wie mit der Post: Wenn man sicher sein will, sollte man einen Brief ja auch besser per Einschreiben verschicken.“ In diesem Fall reiche aber wohl auch ein rechtzeitiger Aushang im Treppenflur in einem Bereich, den jeder passieren muss, ist die Expertin überzeugt. Und wenn der dann auch noch in einem freundlichen Ton verfasst ist, sollte dem gemütlichen Grillabend wohl auch nichts mehr im Wege stehen.

Noch ein kleiner anwaltlicher Rat am Rande: „Mit einem Elektrogrill lässt sich vielleicht so mancher Ärger umgehen!“ Denn dann könnten sich Mitmieter oder Nachbarn zumindest nicht über den Verbrennungsgeruch der Holzkohle beschweren.

Einen weiteren Tipp gibt`s aber auch noch von Ihrer Volksstimme: Laden Sie doch einfach Ihre Nachbarn mal mit ein! Dann meckert hinterher garantiert keiner. Und die Rezepte fürs Grillfest mit den Leuten von nebenan gibt‘s in den nächsten Wochen immer dienstags und sonnabends in Ihrer Tageszeitung.