Amtsgericht Wildwest auf der B 71

Der Frust war groß: Weil er sich von einem Fahrer bedrängt fühlte, rastete ein 35-Jähriger aus, bedrohte und beleidigte einen 58-Jährigen.

Von Ilka Marten 16.11.2016, 20:00

Gardelegen/Kakerbeck l Wegen Nötigung und Beleidigung wurde ein 35-Jähriger, der bereits zahlreiche Delikte begangen hat, am Dienstag vom Gardeleger Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Taten an sich bestritt er nicht, allerdings gab es unterschiedliche Versionen davon, was davor auf der Bundesstraße passiert war. Es war ein Sonntag im März. Ein 58-Jähriger aus Niedersachsen war auf der B 71 zwischen Wiepke und Kakerbeck auf der Heimfahrt in Richtung Salzwedel unterwegs. In Höhe des Parkplatzes Langer Heinrich „habe ich mitbekommen, dass mir ein Fahrzeug ziemlich auf der Pelle hängt“. Vor Kakerbeck habe er dann seinen Opel Omega abgebremst, so dass der 35-Jährige in seinem VW Amarok ebenfalls abbremsen musste. Doch dann gab der Amarok-Fahrer im Ort Gas. „Er hat mich überholt und in Wild-West-Manier ausgebremst“, schilderte der Zeuge.

Er sei mit seinem Omega gegen den rechten Bordstein gefahren, um einen Unfall zu verhindern. Reifen und Felge wurden dadurch stark beschädigt. Doch dann ging es erst richtig los. Der Amarok-Fahrer sei schnellen Schrittes zu seiner Fahrertür gekommen, habe diese aufgerissen „und hat mich beschimpft“. Mit der einen Hand packte der 35-Jährige den Mann am Schlafittchen – so sehr, dass auf den wenig später gemachten Polizeifotos deutlich ein geröteter Hals zu sehen war. Mit der anderen Hand drohte er mit einer Faust. Der 58-Jährige: „Er hat versucht, mich aus dem Auto zu ziehen, aber das ging nicht, ich war ja angeschnallt.“ Mit den Worten „Arschloch“ und „Penner“ habe der Angeklagte den Niedersachsen beschimpft, lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Warum er den Mann so angriff und beleidigte, begründete der 35-Jährige aus dem Jerichower Land damit, dass der Niedersachse ihn zuvor mit dem Opel so überholt habe, dass er mit seinem Amarok auf den Randstreifen ausweichen musste, wo er mit einem Leitpfosten kollidierte, um einen Unfall zu verhindern. Außerdem habe der Opel-Fahrer nach dem Überholmanöver, das der 35-Jährige mit Lichthupen quittierte, mehrfach sehr stark gebremst. „Warum haben Sie nicht einfach die Polizei gerufen?“, so der Richter kopfschüttelnd. Der Angeklagte: „Da habe ich in dem Moment nicht daran gedacht.“ Und das, obwohl neben ihm sein Bruder saß, der von Beruf Polizeibeamter ist. Im Zeugenstand verweigerte der Polizist die Aussage. Der Richter zum Angeklagten: „Sie hätten anhalten können. Aber wir sind doch nicht im wilden Westen und üben Selbstjustiz.“

Er habe von dem Mann nur wissen wollen, „ob er mich umbringen will“. Das sei der Grund gewesen, warum er ihm in Kakerbeck an die Gurgel ging. Dann stieg der 35-Jährige wieder in seinen Amarok und fuhr davon. Sehr detailliert schilderte die Zeugin, die im Opel neben dem 58-Jährigen saß, die Geschehnisse in Kakerbeck an diesem Sonntag. Der Angeklagte hat seit 2005 zahlreiche Verurteilungen kassiert: wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Straßenverkehrsgefährdung (bei der er rücksichtslos auf glatter Fahrbahn überholt hatte), gefährlicher Körperverletzung und erst vor sechs Wochen wegen Betrugs. Zum Tatzeitpunkt im März stand der Mann noch unter Bewährung.

Das Betrugs-Urteil vom Oktober floss mit in die Verurteilung in Gardelegen ein. Der Richter verurteilte den Mann wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Gesamtstrafe von acht Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Außerdem muss der 35-Jährige drei Monate seinen Führerschein abgeben und 2000 Euro an den Förderverein der evangelischen Grundschule zahlen. Der Richter: „Wenn Sie zu hohen Blutdruck haben, müssen Sie Tabletten nehmen, damit das runterblubbert.“