Musikalische Rebellion

Mit „Rebellion und Reformation in der italienischen Oper“ eröffnen die Altmark-Festspiele in der Gardeleger Marienkirche die Spielsaison.

Von Petra Hartmann 22.05.2017, 03:00

Gardelegen l Ein besonderes Fundstück aus dem Werk des italienischen Komponisten Giuseppe Verdi ist die Oper „Stiffelio“, eine dramatische Begebenheit aus dem Leben des deutschen Reformators Michael Stifel. „Der redet ja wieder einen Stiefel zusammen“, zitierte Intendant Reinhard Seehafer, der bei der Aufführung den Klavier-Part übernommen hatte, eine auf Stifel gemünzte Redewendung.
Ein schwieriges Thema hatte sich Verdi da ausgesucht: Ehebruch in einem Pfarrhaus. Und der womöglich noch größere Skandal: Am Ende vergab der Reformator auch noch seiner Frau. Undenkbar im streng katholischen Italien, so dass die Oper nach der Uraufführung im November 1850 sofort verboten wurde.
Erst in den 1960er Jahren wurde die Oper wieder entdeckt und rekonstruiert. Für Verdi war das Verbot nachhaltiger Grund, sich nie wieder mit der Reformation zu befassen. Doch inzwischen erfreut sich der Stiffelio zunehmender Beliebtheit und erwies sich nun auch für die Altmark-Festspiele als Glücksgriff.
Die Zuschauer in der gut gefüllten Marienkirche erlebten eine hinreißende Madina Karbeli, eine georgische Sopranistin, der jeder Reformator einen Ehebruch verzeihen muss, und einen energiegeladenen Tenor Cataldo Caputo aus Apulien mit ausgesprochen eindringlicher Intonation, der vor allem für sein schwungvolles „La donna è mobile“ aus „Rigoletto“ viel Beifall erntete. An der Violine präsentierte sich virtuos Günther Sanin, am Violoncello Luigi Puxeddu.
Mit einer Phantasie aus Verdis Oper „Falstaff“ eröffneten Seehafer, Sanin und Puxeddu beschwingt und gut gelaunt den zweiten Teil des Abends. Eine Heiterkeit, die im sonst so tragischen Werk Verdis eine Singularität ist, überraschend aber umso gelungener. „Das ist die Oper für die Feinschmecker, die ganz außergewöhnliche Desserts lieben“, kommentierte Seehafer, „Verdi hat so tragische Opern komponiert. Und dann schreibt er am Ende seines Lebens eine, die so ein großartiger Spaß ist.“
Rebellisch und aufrührerisch ging es weiter mit Arien aus Giacomo Puccinis „Tosca“. Eine Oper, die wahrhaft im Zeichen der Rebellion steht, aus jeder Note spricht die Auflehnung gegen die Macht des Polizeichefs Scarpia. Sehr eindringlich schildert Puccinis Musik die Situation Cavaradossis. „Er als Politik-Profi weiß, dass er hingerichtet wird, Tosca weiß es nicht. Aber dann hört man es an der Musik – das vermag nur die Oper“, schwelgte Seehafer.
Mit dem Duett „Brindisi“ aus Verdis Oper „La Traviata“, erreichte der Opernabend seinen Höhepunkt. Madina Karbeli und Cataldo Caputo ernteten für ihre Darbietung donnernden Applaus, rhythmisches Fußstampfen und schließlich stehende Ovationen. Erst nach zahlreichen Zugaben verabschiedeten sich die fünf Stars des Abends von ihrem Publikum.