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Jubiläum Ein zweites Eheversprechen in Genthin

Am Sonnabend gaben sich die Eheleute Hannelore und Manfred Baumann nach 50 Jahren Ehe wieder das Ja-Wort.

Von Simone Pötschke 24.06.2016, 07:00

Genthin l Standesbeamtin Petra Koschnitzke erwartete am Sonnabend aufgeregt das goldene Brautpaar, das gleich mit der ganzen Familie in das Standesamt zur goldenen Trauung eintreten würde. „In meiner langjährigen Tätigkeit als Standesbeamtin ist dies erst das dritte Paar, das sich nach 50 Jahren noch einmal das Eheversprechen gibt“, sagte sie. Nichtsdestotrotz kleidete sie ihre Rede für die Baumanns in einen gewohnt festlich-feierlichen Rahmen. Als besonderes Geschenk erhielt das Paar unter anderem eine Kopie des Auszuges aus dem Heiratsergister.

Petra Koschnitzke hob auf die besondere Herzlichkeit ab, mit der das Paar miteinander umgeht. „Sie liebten sich und lieben sie nach 50 Jahren immer noch... Vielen Paaren fehlt heute der Wille, Probleme gemeinsam durchzustehen“, sagte Koschnitzke. Für das standesamtliche Ja in Genthin, hielt Hannelore Baumann die organisatorischen Fäden in der Hand. „Wir sind vom Genthiner Standesamt sehr herzlich und offen mit unserem Anliegen aufgenommen worden“, sagt sie.

Dass sich zu diesem Ereignis die beiden Kinder mit ihren Familien aus Berlin und Leipzig ausgerechnet in Genthin zusammenfinden, war Hannelore und Manfred Baumann eine Herzensangelegenheit. Hier lernten sie sich kennen, hier heirateten sie, hier wurde ihre älteste Tochter geboren, hier gibt es noch Verwandschaft von Hannlore Baumann. Zudem ist Hannelore Baumann einer gebürtige Genthinerin, eine geborene Dalchau. Ihr Elternhaus stand einst unmittelbar am Kanal an der Mühlenstraße. Dort gab es für die Familie nach dem Standesamtbesuch auch ein „Überraschungsbufett“, das reichlich Möglichkeiten eröffnete, in Fotoalben der Familie zu blättern.

Die besondere Verbundenheit mit Genthin war der Anlass, die Kanalstadt einer gastronomischen Nobeladresse als Feierort den Vorrang zu geben. „Uns war wichtig, dass unsere Kinder Genthin kennenlernen und erfahren, von wo aus unsere junge Familie ihren Weg gegangen ist“, erklärt Hannelore Baumann. Die Geschichte der Baumanns, die sich 1965 bei der Silvesterparty im „Klubhaus des Waschmittelwerkes“ (heute Stadtkulturhaus) kennenlernten, ist fast reif für ein Kapitel im Geschichtsbuch, das exemplarisch für eine junge DDR-Generation steht. Nach der Sylvesterfeier bringt Manfred, ein junger Chemiker aus dem Waschmittelwerk, Hannelore nach Hause und wird schon am Neujahrstag bei Hannelores Schwester, die in der Fichtestraße wohnte, zum Kaffee eingeladen.

Von dem Tag waren wir „zusammen“, erinnert sich die goldene Braut. Wie viele andere junge Eheleute ereilte das Paar das Wohnungsproblem, als sich im Frühjahr Nachwuchs ankündigte. Der Wohungsmensch im Waschmittelwerk meinte, dass zuerst ein Termin vom Standesamt vorliegen müsse, erst dann erfolge eine Zimmerzuweisung, erinnert sich Hannelore Baumann. „Wir sind am 13. Juni 1966 zum Standesamt wegen eines Termins gegangen, der nächste freie Termin war dann am 17. Juni - der Tag des Volksaufstandes in der DDR. An diesem Tag wird nicht geheiratet - diese Ansprache erfolgte prompt im Waschmittelwerk.“

Geheiratet wurde trotzdem. Nur wenige Tage vor der Hochzeit lernte Hannelore ihre Schwiegereltern in Klötze kennen. 50 Jahre später kann sich die Braut noch genau an die Eheschließung erinnern: „Wir alle saßen erwartungsvoll im Raum, Gäste aus Manfreds Abteilung vom Waschmittelwerk und aus Magdeburg (dort arbeitete seinerzeit die Braut) waren da. Die Standesbeamtin wollte beginnen, aber es gab keine Papiere, die waren im Rathaus am Markt geblieben, so dass erst jemand dorthin geschickt wurde, um sie zu holen. Die Hochzeitsrede hielt seinerzeit Werkdirektor Zelmer“.

Ihre Wohnung bezogen dann die Baumanns in der Dürerstraße 25, zwei Zimmer mit Küchenbenutzung. Das Paar war allerdings mit seiner Wohnungssituation nicht zufrieden. Die Küchennutzung sei auf die Dauer nicht befriedigend gewesen. Von einem Studienkollegen erfuhr Manfred Baumann, dass es in Kirchmöser Neubauwohnungen geben würde, wenn man dort bei der Bahn arbeitet. Seine Bewerbung bei der Zentralen Prüf- und Entwicklungsstelle des Verkehrswesens war erfolgreich und die Familie zog um. Dort entwickelte er sich, wie seine Frau scherzhaft sagt, zum „Korrosionsschutzpabst“ des Verkehrswesens und „Herr der Farben“, wenn sich sein Tätigkeitsfeld seit 1986 auch auf die Stahl-Wasserbauten erstreckte. Hannelore Baumann setzte sich 1976, sie arbeitete seit dem Umzug nach Kirchmöser im Weichenkonstruktionsbüro, auf die Schulbank und schloss 1981 ein Studium als Diplom- Wirtschaftsingenieur ab.

1996 gab es eine weitere berufliche Zensur: Die Bundesanstalt für Wasserbau versetzte Manfred Baumann von Berlin nach Karlsruhe, Ehefrau Hannelore folgte und prüfte von nun an Bauprojekte der Bahn im Südwesten. Für ihr Rentnerleben kam das Paar in die Heimat zurück und richteten sich ein kleines Wohnhaus in Wusterwitz ein. Die Chonik der Baumanns platzt aus allen Nähten, wenn Hannelore Baumann über die die vielen Urlaube, über ihre Kulturaktivitäten, über ihre Tennis-Leidenschaft und über ihren gemeinsamen Garten berichtet. Den größten Platz räumt sie allerdings liebevoll den Kindern und Enkelkindern ein, mit dem sie einen außergewöhnlichen Familienzusammenhalt dokumentiert.