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Karneval Jugend veräppelt „Stadt der Alten“

Insgesamt 25 Programmpunkte auf zweieinhalb Stunden verteilt umfasste die 45. Festsitzung des Carneval Club Waschmittelwerk Genthin.

Von Natalie Häuser 02.02.2016, 15:00

Genthin l Die Schriftrolle hakt etwas beim Öffnen, doch dann kann Prinz Niklas sein närrisches Volk in standesgemäßer Manier begrüßen: „Veränderungen machen nicht halt vor einem Club, der nun schon über 50 Jahre besteht“, stellte er fest. Für gute Laune und Fröhlichkeit sollten sein Hofstaat, die närrischen Musiker, Redner und die schönen Funken und weitere, dennoch auf traditionelle Weise sorgen. Und im nächsten Moment sprüht der Charme der Funken auch schon durchs Stadtkulturhaus, wo an ellenlangen Tafeln die nur zum Teil verkleideten, aber alle partyfein gemachten Zuschauer zu „Waiting for tonight“ den Startschuss für ein gut zweieinhalbstündiges Programm der 45. Prunksitzung miterleben. „Genthin braucht ein neues Profilbild“ finden Jonas Hahm und Jan Jeschinski bei ihrem Sketch. Angestrengt überlegen sie gemeinsam, wie sich die Stadt aufstellen solle, um nicht mehr „vom Untergang bedroht“ zu sein. Als neue „Macher“ sollte man die Senioren ernennen.

Auch einen Namen für die „Seniorenresidenzstadt“ haben die Jungs bereits im Hinterkopf. „Stadt der Junggebliebenen“ wäre angesichts der Tatsache, dass die Jugend abwandert und die „Alten“ viel besser feiern könnten, eine denkbare Variante. Stadtrat Horst Leiste könne der „Alternative für Genthin (AFG)“ vorstehen und den Wahlkampf leiten. Sternförmige Wege von den Seniorenheimen zum Marktplatz, wo die mit Fußpedalen ausgestatteten Bänke schon auf die Alten warten und die Möglichkeit haben, eine Kneipp-Kur zu machen, all das ist Teil der Vision des Jungvolks, die mit ihrem Sketch selbst bei der Altersgruppe der „Veräppelten“ gut ankommen und ihren zweiten großen Auftritt auf der CCW-Bühne selbstbewusst meistern. Kritisch merkten sie an, dass Bürgermeister Thomas Barz in Sachen des Stadtkulturhauses einen ziemlich langen Winterschlaf mache und verabschiedeten sich mit der Hoffnung, dass er sie im kommenden Jahr vielleicht mit ein paar neuen Brettern für die Bühne dort überraschen würde.

„Steht auf, wenn ihr heut feiern wollt!“ zur Melodie von „Go west“ der Pet Shop Boys ließ die Karnevalsmeute in Stimmung kommen. Und bereits in der zweiten Runde kann das Publikum beim Refrain schon ordentlich mitgrölen. Obwohl Sitzungspräsident Fritz Mund mit einem Augenzwinkern anmerkte: „Der Tisch zwei war sehr träge.“ Jutebeutel, Hackepeter-Brötchen und Bierpulle waren Requisiten für das Sängeroutfit „Ossi“. In Unterhemd und Jogginghose wirkten die CCW-Männer gleich viel authentischer. Später sprachen die CCW-Sänger musikalisch ein altbekanntes Problem der Damen an. Während der Darbietung von „Damenklo“ machten sich merkwürdigerweise einige Gäste auf, das stille Örtchen aufzusuchen, um nach dem Programm nicht „zu lange in der Schlange“ warten zu müssen.

„Zumindest der Ortseingang B 1 hat jetzt Großstadtniveau“, schickt Burgi Koch das „Oho“ dem „Naja“ des Jahresberichts der Marktfrau a.D. vorweg. Auch eine Radtour zum Kloster nach Jerichow sei jetzt gefahrlos möglich. Allerdings war sie nicht erbaut davon, dass der „Bauplatz Jengteng“ länger als gedacht von Umleitungen durchzogen war. „Ließ sich das denn nicht planen, dass waren doch alles Leute vom Bau.“ Auch leere Fenster am Marktplatz und Lokale die dicht machen, beklagte sie. „Zuletzt stirbt die Hoffnung“ schloss sie den Jahresbericht mit ihrem Fazit in Sachen Zukunft des Henkel-Werkes. Globaleres hatte die Sprecherin vom „Genthiner Stadtkanal“ parat. So wurden auf narrenhafte Weisen sowohl die Verschuldung Griechenlands, der VW-Skandal, das FIFA-Wirrwarr und die AFD-Führung thematisiert. Franz Beckenbauers größter Albtraum wäre es demnach, mit Uli Hoeneß Zelle an Zelle im Gefängnis zu verbringen. „Aber der ist ja eh bald frei“, so Nachrichtenfrau Christiane Franz. Unterdessen huschte Karnevalsfreundin Angela Engel von einer Saaltür zur anderen. Rechtzeitig war sie zur Stelle, als der Präsident des befreundeten Genthiner Carneval Club nach der Ehrung mit dem Bürgerpreis auch einen „Bürgerorden“ der Waschmittelwerk-Karnevalisten geehrt wurde.

Was bei einem Räuber-Waschwannen-Tag passiert, zeigten anschließend die CCW-Krümel in passender Tracht. Für den Tanz wurde ein Waschzuber auf die Bühne gerollt. Da war der folgende Song „Die Wanne ist voll“ nur allzu logisch. Wie clever Frauen sein können, wenn es darum geht, dass Bußgeld für ein Blitzerfoto abzuwenden, zeigten Bleifuß Uschi Müller alias Christiane Schwarz und ihre besorgte Beifahrerin Burgi Koch in einem Sketch. Weil sie Polizist Sebastian Kroll mit einer ausgeschmückten Gruselgeschichte hinters Licht führen konnten, mussten sie später bei seinem Vorgesetzten, gespielt von Dr. Axel Lorenz, auch nicht mehr zahlen. Dafür gab es eine zünftige „Rakete“ vom Publikum, die seit je her aus Klatschen, Stampfen und Pfeifen sowie einem bewundernden „Aaah!“ vonseiten des Publikums besteht. Unersättlich waren die Zuschauer beim geschichtlichen Beitrag des Abends, als Rita Wagner, an der Gitarre begleitet von Sebastian Hammer, über die „Rittersleut“ und ihr Treiben berichtete. Hoffentlich folgten die männlichen Narren aus dem Publikum nicht unbedingt dem mittelalterlichen Vorbild, zu bequem zum „kraxeln“ aus ihrer „Rüstung“ zu sein, um mit der Angetrauten zu „schnackseln“. Denn genau dies hätten laut der Gesangseinlage vom Burgfräulein die Rittersleut versäumt und starben letztlich aus.