1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Alles andere als Hausfrauensport

Sportserie Alles andere als Hausfrauensport

Die Walkerinnen des SV Chemie Genthin stehen im Mittelpunkt des vierten Teils der Volksstimme-Sportserie.

Von Simone Pötschke 21.05.2017, 07:00

Genthin l Sport ist gesund, setzt Glückshormone frei und vertreibt den Winterspeck. Doch welche Sportart ist die richtige? Wir testen uns durch die Sektionen von Genthins größtem und vielseitigstem Verein, dem „SV Chemie“.

Montag 17.30 Uhr auf dem kleinen Platz direkt am Bootshaus in unmittelbarer Nähe zum Sportboothafen. Treffpunkt für die Walkerinnen des SV Chemie Genthin, denen ich mich für eine Stunde anschließen werde.

Dass ich mit Stöcken zum Walken komme, beschert mir gleich eine sehr freundliche, aber eindeutige Unterweisung durch Übungsleiterin Ursula (Uschi) Koltz. „Wir walken, gehen also. Die Stöcke werden beim Nordic Walking eingesetzt.“ „Na ja, auch gut“, denke ich und stelle die Stöcke im Bootshaus ab, während die Sportfreundinnen der Gruppe schon längst im Halbrund Aufstellung genommen haben.

Hier kennt man sich untereinander, ich mache auch etliche bekannte Genthiner Frauengesichter aus. Doch Zeit zur Konversation bleibt nicht. Ursula Koltz geht zügig zu Stretching–Übungen über. Unbedingt korrekt sollen sie ausgeführt sein. Klar, dass die kleine, drahtige Frau jeden ihrer Schützlinge genau im Auge hat. Problemlos packen die alten Hasen der Gruppe die einzelnen Übungen. Bei mir ist das schon etwas anders.

Fuß mehr nach innen stellen, Rücken gerade – Verdammt, sie hat Recht – ich bin einsichtig und bestaune die Frauen neben mir, die so locker drauf sind, dass sie auch ein Schwätzchen wagen. Das ist bei mir nicht drin – volle Konzentration ist gefragt.

Ursula Koltz lässt nicht locker und belohnt mich für meine Hingabe hin und wieder mit einem Lob, was mir vor den Frauen fast ein wenig peinlich ist.

Dann geht es los – Walken. Ich staune, dass sich in der Truppe eine Reihe gestandene Chemie-Sportlerinnen finden. Etwa Gudrun Döring. Wir kennen uns nicht persönlich, bekannt ist sie mir von Mitgliederversammlungen in ihrer Eigenschaft als Schatzmeisterin. Bei der Sektion Wandern mischt sie mit ebenso wie beim Aquajogging und wer weiß noch wo. Mit Ursula Koltz wird sie die folgende Tour fast ausnahmslos an der Spitze walken. Es sieht zwar mühelos aus, doch das Tempo, das sie vorlegen, lässt echte Könnerinnen erkennen.

Die Walkstunde führt uns entlang des Kanals, am Wasserturm vorbei zum Volkspark. Dort absolvieren wir zwei Runden, bevor es wieder zurück geht. Ursula Koltz nimmt mich den ersten Teil der Strecke unter ihre Fittiche, erklärt mir die Technik des Walkens und bedeutet mir eindringlich, mir bei meiner ersten Teilnahme nicht zuviel zuzumuten. „Nicht das der Kreislauf schlapp macht“, sagt sie voller Ernsthaftigkeit.

Falls ich an meine körperlichen Grenzen stoße, empfiehlt sie mir, eine Rundenabkürzung wie Toni Pfeiffer zu nehmen. Die 81-jährige hat an diesem Tag bereits eine 25-Kilometer Radtour in den Beinen und hat am Nachmittag im Garten gewühlt. Trotzdem wird ihr die Anstrengung nach der etwa sieben Kilometer langen Walk-Strecke nicht so ins Gesicht geschrieben sein wie mir, die ich um einiges jünger bin. Mir scheint, ich habe erheblichen Trainingsbedarf.

Die erste große Parkrunde halte ich eigentlich gut durch. Eine Spitzengruppe mit den Powerfrauen Ursula Koltz und Gudrun Döring, aber auch die Wanderfrau Karin Mielke setzt sich ab. Ich finde mich mittlerweile in einer zweiten Gruppe wieder, die vermutlich meinem Leistungsvermögen eher entspricht. Ich klinke mich dezent in die Gespräche der Sportfreundinnen ein und versuche dabei, so merkwürdig es klingt, trotz aller Anstrengungen wie gefordert voller Entspannung die Arme schwingen zu lassen und regelgerecht die Füße auf den Boden zu setzen.

Es funktioniert tatsächlich, bemerke ich auf der zweiten Runde, für die ich übrigens mit meiner Gruppe nun doch die empfohlene Abkürzung wähle.

Wir schnattern nun über dies und jenes. Grand Prix, Zustand des Volksparkes – Meine Redebeiträge sind nicht sehr lang, sonst würden sie mir noch zu viel Kraft kosten, so dass ich möglicherweise nicht ins Ziel käme.

Neben mir läuft Roswitha Rother, die eine Lanze für den SV Chemie bricht. „Ich finde es gut, dass ich mich über Schnupperstunden für eine Sektion entscheiden konnte. So habe ich herausgefunden, was für mich das Richtige ist“, sagt sie. Sie bleibt in der Endphase des Walkens meine dankbare Gesprächspartnerin, erzählt mir, dass die Gruppe weder Wind noch Wetter vom Walken abhält. Irgendwie bin ich schließlich dankbar, dass trotz meines kurzen anstengenden Intermezzos in der Sportgruppe so der Geselligkeitsfaktor mit auf die sich anbahnende Zielgerade gelangt.

Am Wasserturm haben wir noch einmal kurz Kontakt mit der „Profi-Walker-Gruppe“ um Ursula Koltz und Gudrun Döring. Das passt für kurze Nachfragen. Seit 2004 würde die Gruppe bestehen und habe anfänglich sogar an Wettkämpfen teilgenommen, erzählt die Frontfrau. Gudrun Döring ergänzt: „Wir haben uns damals gewundert, dass die anderen so schnell waren“. „So ein Trost“, denke ich. Ein Aha-Moment stellt sich allerdings erst einen Tag später bei mir ein. Während ich es dann schwer habe, mich aus meinem Bürosessel zu erheben, sehe ich Gudrun Döring munter und mühelos mit einem Einkaufskorb die Kanalbrücke herauflaufen.