1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Wasserdichte „Haut“ für Schätze

Gleimhaus Wasserdichte „Haut“ für Schätze

Die Kulturschätze des Gleimhauses Halberstadt sind in Gefahr. Jetzt hat die Sanierung begonnen.

Von Jörg Endries 29.11.2015, 00:01

Halberstadt l Gefahr im Verzug! Jens Klaus, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, schlug vor Kurzem die Alarmglocken. Die Kulturschätze des Gleimhauses sind gefährdet. Massive Wasserschäden am Dach des Gleimhaus-Anbaus, lautet die verheerende Feststellung. Im Eiltempo ist die grundhafte Sanierung des lecken Daches auf den Weg gebracht worden. In dieser Woche haben die umfangreichen Sanierungsarbeiten begonnen.

„Die Lage ist dramatisch“, bestätigt auf Volksstimme-Anfrage Dr. Ute Pott, Direktorin des Gleimhauses. „Der Sommer war einfach furchtbar. Überall drang das Wasser ein“, schildert Ute Pott die Lage. Gott sei Dank blieben die wertvollen Bestände der Gleim-Bibliothek bisher unbeschädigt, ist sie erleichtert. „Im letzten Sommer war es so schlimm, dass wir das Haus sogar evakuieren mussten.“ Seitdem liegen im Gebäude Planen und anderes Abdeckmaterial griffbereit, um die Schätze des Museums vor überraschenden Wassereinbrüchen schnell schützen zu können. „Das Haus zu evakuieren kostet viel Zeit. Bei Bedarf muss man jedoch schnell handeln“, sagt Jens Klaus. Abgesehen vom ideellen Wert, rein monetär betrachtet, lagern Gleimhaus-Bestände im Wert von über fünf Millionen Euro im Gebäude. Dabei sind die Bestände des Stadtarchivs noch nicht enthalten, so der Fachbereichsleiter.

Unter dem lecken Dach befindet sich unter anderem Gleims Bibliothek, die zu den bedeutendsten bürgerlichen Büchersammlungen des 18. Jahrhunderts gehört. Mit der sogenannten Arbeitsbibliothek umfasst sie insgesamt 30 000 Bände, darunter zahlreiche Bücher aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Zur historischen Bibliothek gehören etwa 12 000 kostbare Bücher des 15. bis ins frühe 19. Jahrhundert. Nicht zu vergessen die Schätze des historischen Stadtarchivs Halberstadts, die im Keller des Hauses sorgsam ge- und behütet werden. Über 1200 Jahre bewegte Geschichte. Mehr als 87 131 Dokumente und 1360 laufende Meter Geschichte umfasst das Historische Archiv. Darunter befinden sich Urkunden aus der Zeit vom 11. bis zum 20. Jahrhundert. Unter anderem das älteste erhaltene Schriftstück des Hauses. Eine Urkunde aus dem Jahr 1068, auf der König Heinrich IV. die Privilegien und Rechte der Halberstädter Kaufleute bestätigt und ihnen Zollfreiheit auf allen königlichen Märkten bewilligt.

Dachdecker nehmen derzeit die alten Ziegel vom etwa 300 Quadratmeter großen Flachdach ab, um an das eigentliche Dach zu gelangen, das das Haus vor Wassereinbrüchen schützen soll. Die Ziegel seien bei einem so extremen Flachdach nur für die Optik da, berichtet Jens Klaus. Den Job, das Gebäude vor Wasser zu schützen, übernimmt das Dach unter dem Ziegel-Dach. Diese Konstruktion wird komplett erneuert. „Wir wollen 1000-prozentig sicher sein, dass es auch ohne Ziegel das Museum sicher schützt“, betont der Baufachmann. Das Gebäude bekäme natürlich schon wegen der Optik wieder eine neue Ziegeleindeckung. „Die alten würden bei der Sanierung des Burchardieklosters Verwendung finden“, so Jens Klaus.

Die Qualität der Dämmung des Daches und damit die Energiebilanz des Gleimhauses wird wesentlich verbessert. Spielt das Wetter mit, dann soll das Dach bis Weihnachten wieder dicht sein. Der Stadtrat Halberstadt hatte während seiner jüngsten Sitzung ohne Diskussion 150 000 Euro für die dringend notwendigen Arbeiten zur Verfügung gestellt.

1994 ist der Gleimhaus-Anbau fertiggestellt worden. Leider habe sich später herausgestellt, dass der architektonische Anspruch der außergewöhnlichen Dachkonstruktion nicht optimal umgesetzt worden sei, berichtete Jens Klaus kürzlich den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses. Das Resultat: umfangreiche Nässeschäden. Seit 2002 gibt es das Problem. Vor allem an den Übergängen zum historischen Gleimhaus. 13 000 Euro hat die Stadtverwaltung bereits für Reparaturarbeiten ausgegeben. Vor allem die Starkregen-Ereignisse, die immer öfter vorkämen, hätten die Lage dramatisch zugespitzt, bestätigt Jens Klaus.