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Modellbau Eine Legende fliegt wieder

Wiederauferstanden ist die „Halberstadt LC IV“. Reiner Oehlschläger hat ein Modell des legendären Doppeldeckers gebaut.

Von Jörg Endries 13.03.2016, 11:00

Halberstadt l Eine Legende fliegt wieder – zumindest als Modell. Reiner Oelschläger aus Blankenburg hat den legendären Doppeldecker „Halberstadt LC IV“ nachgebaut, der zwischen 1912 und 1919 in den damaligen Halberstädter Flugzeugwerken gebaut wurde. Der Alt-Halberstädter Friedrich-Wilhelm Schröter hat das Projekt initiiert.

Vielen Halberstädtern, vor allem den jüngeren, sei gar nicht mehr bewusst, dass die Stadt einst einen Namen im Flugzeugbau hatte, betont Friedrich-Wilhelm Schröter. Mit der Nachbauaktion soll daran erinnert werden. Ein Besuch im Technikmuseum Berlin habe ihn auf die Idee gebracht, den Doppel­decker nachzubauen. Dort ist ein Original der LC IV zu sehen, so Schröter. Insgesamt soll es heute noch drei Originale geben, zwei davon in den USA. Per Zufall lernt Friedrich-Wilhelm Schröter Reiner Oelschläger kennen, der Mitglied des Modellflug Clubs Blankenburg ist. Schröter infiziert den Modellbauer mit der Idee des Doppeldecker-Nachbaus.

Reiner Oelschläger begab sich sofort auf Internet-Recherche, wo er einen Grundbausatz fand. „Die Form war bereits relativ nah am Original der LC IV.“ Der Bau selbst habe sich trotzdem als schwierig entpuppt. „Früher nahm man Stoff zum Bespannen der Tragflächen, heute geschieht dies mit Kunststofffolie. Ich musste zweimal neu anfangen, erst dann passte alles“, berichtet der Blankenburger. Angetrieben wird das Modell von einem fünf-Kubikzentimeter-Viertaktmotor aus japanischer Produktion, der Methanol verbrennt. „Aus Umweltschutzgründen wird heute zwar immer öfter auf Elektroantriebe gesetzt. Zu dem Modell passt aber nur ein Knatter-Motor.“ Trotz einiger Probleme benötigte Oelschläger nur 60 Stunden, um das flugfertige Modell fertigzustellen. Es besitzt eine Spannweite von 1,30 Meter.

Der Jungfernflug der „Halberstadt LC IV-D IBAO“ soll am Pfingstwochenende auf dem Flugplatz des Modellflug Clubs Blankenburg unterhalb des Regensteins stattfinden, kündigt Friedrich-Wilhelm Schröter an. Geplant ist außerdem in Zusammenarbeit mit Ortschronisten Werner Hartmann ein Vortrag über die Flugzeugbau-Tradition in Halberstadt und speziell des Doppeldeckers im Städtischen Museum Halberstadt. Dort wird dann auch das Modell präsentiert.

Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) begrüßt den Nachbau des Doppeldeckers. „Die beiden Halberstädter Friedrich-Wilhelm Schröter und Werner Hartmann sind zwei alte Haudegen, die Halberstadt kennen und Geschichte ins Bewusstsein holen und erlebbar machen“, würdigt Henke das Engagement und äußert die Hoffnung: „Vielleicht gelingt es ja eines Tages, den Flugzeugbau wieder nach Halberstadt zu holen.“

Die Halberstädter Flugzeugwerke seien einst aus einem Zusammenschluss von einer deutschen und einer britischen Firma hervorgegangen, berichtet Halberstadts Ehrenbürger Werner Hartmann. Das Werk habe sich auf dem heutigen Gelände der Zast an der Friedrich-List-Straße befunden. „Von der ‚Halberstadt LC IV‘ sind von 1912 bis 1919 über 1000 Stück gebaut worden“, erzählt Friedrich-Wilhelm Schröter. Für die Zeit sei das eine große Leistung gewesen, weil alles in Handarbeit und noch nicht so hoch industralisiert wie heute geschah, erinnert Werner Hartmann. Produziert wurden außerdem Bomber, Jagd- und auch Marineflugzeuge. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs endete die Geschichte der Halberstädter Flugzeugwerke – der Versailler Vertrag verbot Deutschland Flugzeuge zu bauen. „Erst 1935 brachte die Firma Junker aus Dessau den Flugzeugbau nach Halberstadt zurück. Im Werk auf dem Gelände des späteren Maschinenbaus wurden Tragflächen für die legendäre ‚Tante Ju‘, der Ju 52 gebaut“, outet sich Oberbürgermeister Andreas Henke als Kenner der Flugzeugbau-Geschichte in Halberstadt.

Traditionspflege schreibt Friedrich-Wilhelm Schröter groß. Immer wieder macht er mit spektakulären Aktionen auf sich und auf die Stadt Halberstadt, die er liebt, aufmerksam. Ihm ist es zu verdanken, dass seit 2004 ein Lufthansa-Jet den Namen „Halberstadt“ trägt. Seitdem wirbt das Flugzeug vom Typ Canadair Jet CRJ 700 für die alte Bischofstadt. Die zweistrahlige Maschine wird in Europa im Kurzstreckennetz eingesetzt. Außerdem hat der umtriebige Alt-Halberstädter, der heute in Garbsen bei Hannover lebt, eine weitere Legende wieder ins Bewusstsein der Halberstädter zurückgerufen – die Dampflokomobile „Martin Luther“. Sie ist vor über 100 Jahren in der Firma seines Urgroßvaters in Halberstadt (Dehne) gebaut und dann nach Namibia (Afrika) verschifft worden. Dank der Initiative Schröters konnte das technische Denkmal, das sich in einem furchtbaren Zustand befand, restauriert und in einem Museum in Swakopmund untergebracht werden.

„Wenn ‚Friewi‘ sagt, eine Raumstation trägt mal den Namen Halberstadt, dann muss man damit rechnen, dass das so kommt“, würdigt Andreas Henke mit einem Lächeln das rastlose Engagement Friedrich-Wilhelm Schröters für Halberstadt.