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HaushaltsdebatteZukunft der Freibäder ist größter Aufreger

Die Osterwiecker machen sich Sorgen, wenn die geplanten Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Das wurde bei der Volksstimme-Umfrage deutlich.

Von Mario Heinicke 22.01.2017, 07:00

Osterwieck l Freitagvormittag vor dem Osterwiecker Einkaufszentrum. Das Leben pulsiert. Die Volksstimme hat einen Stand eingerichtet, für eine Umfrage zum geplanten Sparpaket der Stadt. Viele Leute schauen auf das Themenblatt am Stand, einige halten, um etwas zu sagen. Erläutern, worum es in dem Sparpaket überhaupt geht, muss man niemandem. Es hat sich längst herumgesprochen. Es geht um vieles, was das Leben hier lebenswert macht: Bäder, Dorfgemeinschaftshäuser, Bibliothek, Museum. 30 Sparvorschläge sind es insgesamt. Wobei Sparen hier oft Schließung oder teurer werden heißt.

Aufreger in der einen Umfragestunde sind vor allem die Freibäder in Osterwieck und Hessen. Schließung, Übertragung an Vereine, höhere Eintrittspreise. Alles ist derzeit in der Diskussion der Stadtratsgremien.

Der Osterwiecker Dieter Wust ist Stammbesucher im heimischen Sommerbad und engagiert sich auch sonst in der Stadt. So am Vortag beim Arbeitseinsatz im Tiergehege. „Das Freibad zu, das wäre eine große Schweinerei“, stellt er voran. Er hat von den Bad-Vorschlägen der Stadtratsfraktionen gelesen. „Grünpflege über einen Förderverein, das kann man sicher machen. Aber ich kann mich doch nicht so einfach an die Kasse setzen.“

Günter Bode kommt hinzu. Das Sommerbad muss erhalten bleiben, ist für den Osterwiecker keine Frage. „Meine Enkelkinder sollen hier mal Schwimmen lernen.“

Die Themen wechseln. Dieter Wust erinnert daran, dass das Heimatmuseum bis zur Wende ehrenamtlich geführt wurde. Dem Sparvorschlag könnte er also zustimmen.

Günter Bode greift die Bibliothek auf, der die Leser davonlaufen, seit es eine Nutzungsgebühr gibt. Viele holen sich heute ihren Lesestoff im (sozialen) Buchladen des Kulturlandvereins. „Ich verstehe nicht, warum man damals in der Mittelstraße den Buchladen aufmachen musste.“

„Es wird soviel Geld auf dieser Welt ausgegeben …“, sagt Dieter Wust beim Gehen. Wenige Minuten später äußert Walter Hirschelmann aus Deersheim ähnliche Gedanken. „Die Steuerquellen sprudeln ständig, und hier bei uns ist kein Geld da.“

„Das Freibad wurde in einer Zeit gebaut, als die Leute wenig Geld hatten. Heute, wo eigentlich viel Geld da ist, soll es geschlossen werden“, sagt Winfried Gaus. Mit Blick auf die Dorfgemeinschaftshäuser ist der Osterwiecker der Meinung: „Alle Häuser müssten sicher nicht sein.“

„Das ist schon traurig“, meint Hans Löhr aus Stötterlingen. „Bei uns im Ort gibt es gar nichts mehr.“ Auch ihn würde das Sparpaket irgendwie treffen. Denn er besitzt einen kleinen Vierbeiner. Ein Vorschlag sieht die Erhöhung der Hundesteuer vor.

Manchmal gibt es wirklich Zufälle. Mit Burkhardt Schulze geht ein Schwimmmeister am Volksstimme-Stand vorbei. Der Schauener hatte bis zum Ruhestand 2012 in Hessen gearbeitet. Sowohl für Osterwieck als auch Hessen wäre eine Schließung aus seiner Sicht überhaupt keine Lösung. „Die Bäder kann man nicht zumachen. Auf beiden laufen noch Kredite“, stellt er fest. Hessen war 1994 saniert worden, Osterwieck 2007.

Im Gutachten ist der Spareffekt für Hessens Bad mit 74 000 Euro beziffert worden. „Ich frage mich, wie diese hohe Summe zustande kommt.“ Vereine als Träger könnten diesen Aufwand überhaupt nicht stemmen, erklärte er. Auch die technische Betreuung sieht er als ein Problem. „Die Wasseraufbereitung darf nur von Fachkräften vorgenommen werden. Rettungsschwimmer sind aber keine Fachkräfte.“ Schulze engagiert sich heute ehrenamtlich im Schauener Freibad, das seit über zehn Jahren von einem Verein betrieben wird. Für ihn ist das Freibad ein „sozialer Treffpunkt“.

Sigrid Weiner hat ihren Einkauf extra in die angekündigte Zeit der Volksstimme-Umfrage gelegt. Sie ist Vorstandsmitglied im Osterwiecker Verein Pro Sommerbad. Sie kann sich nicht vorstellen, wie der Verein als Träger die Kosten, die noch höher als in Hessen sind, aufbringen sollte. Der Erhalt des Sommerbades ist ihr wichtig: „Wo sollen denn sonst die Schulen baden gehen? Was haben wir denn sonst noch in Osterwieck?“

Im Gespräch mit Lars Daniel geht es um die Kindertagesstätten. Diese sollen einem freien Träger übergeben werden, schlägt das Gutachten vor. „Auf keinen Fall“, sagt der Osterwiecker, der sich an der Grundschule im Elternrat und Förderverein engagiert. Bildung sei Sache des Staates und sollte nicht abgegeben werden. Und zur großen Politik erklärt er: „Man sollte das Geld nicht nur in der Welt verteilen, sondern auch mal an das eigene Volk denken.“

„Für andere ist Geld da …“, sieht es Jürgen Vorheyer aus Rimbeck ähnlich. Ohne Gemeinschaftshäuser gäbe es in den Orten praktisch nichts mehr, fügt er hinzu und sieht es damit so wie Willi Plettner aus Lüttgenrode zum Abschluss der einen Stunde: „Die Bürger brauchen das Dorfgemeinschaftshaus.“

Walter Kluck aus Osterwieck hat unterdessen seine Meinung zum Sparpaket per Mail formuliert. „Die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 4. Oktober 1993 unterscheidet zwischen freiwilligen Aufgaben und Pflichtaufgaben. Zu den freiwilligen Aufgaben gehören die Bereiche Bildung und Kultur, Sport und Freizeit, Energieversorgung, öffentlicher Nahverkehr, soziale Einrichtungen, Wirtschaftsförderung, allgemeine Beratung der Bürger und Öffentlichkeitsarbeit sowie Städtepartnerschaften. Die Lebensqualität der Bürger in der Einheitsgemeinde Stadt Osterwieck hängt ganz wesentlich von den freiwilligen Leistungen wie Bibliotheken, Jugendeinrichtungen, Sportplätzen, Freibädern, Freizeitangeboten sowie Dorfgemeinschaftshäusern ab“, schreibt er.

„Da die gesetzlichen Regelungen inzwischen seit 23 Jahren bekannt sind, war die Beauftragung einer Unternehmensberatung aus Bonn nicht notwendig. Vermutlich wollte man die unpopulären Maßnahmen nicht selbst der Öffentlichkeit präsentieren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den Kosten für das meines Erachtens überflüssige externe Gutachten.“