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Ärztemangel Augenärzte sorgen für Lichtblicke

Knapp 40 Patienten und 400 Termine: So ist die neue Augenarztpraxis des Halberstädter Ameos-Poliklinikums gestartet.

Von Dennis Lotzmann 07.02.2017, 11:55

Halberstadt l Montag früh um 8 Uhr in der Minna-Bollmann-Straße 2 in Halberstadt: Luftballons flankieren den Weg zur neuen Praxis für Augenheilkunde des Ameos-Poliklinikums. Vor der Treppe stehen bei Nebel und Kälte gut und gern 50 wartende Patienten. Immer wieder kommen neue hinzu. Manche haben bereits vor Tagen einen Termin mit Dr. Detlev Hoffmann vereinbart. Zeitlich einzuhalten ist der Zeitplan aufgrund des Andrangs kaum. Dennoch warten fast alle geduldig, eint sie doch ein Gedanke: Schön, dass es in Halberstadt überhaupt wieder eine Chance gibt, als Kassenpatient vom Augenarzt behandelt zu werden.

In der Praxis bereitet sich derweil Detlev Hoffmann auf einen anstrengenden und langen Tag vor. „Die Menschen werden immer älter und immer mehr von ihnen brauchen ärztlichen Rat und Hilfe“, sagt der promovierte Augenheilkundler. Wobei das mit dem Alter den berühmten Nagel sprichwörtlich auf den Kopf trifft. Hoffmann könnte mit 73 Jahren längst selbst den wohlverdienten Ruhestand genießen. Der akute Augenarzt-Mangel im Harz hat ihn jedoch motiviert, noch einmal aktiv zu werden.

Nachdem er 2008 aus Hessen zurückgekehrt war und in Aschersleben eine neue Praxis eröffnet hatte, nun also noch einmal ein Start in Halberstadt. Dass er damit aus ärztliche Sicht genau das Richtige macht, bestätigt heute wie damals der Zuspruch bei den Patienten: Anfang Februar 2008 sorgte Hoffmann mit einem Foto von einer wartenden Partientenschlange bundesweit für Schlagzeilen. Nun ist die Schlange in Halberstadt kaum kürzer.

Für die geduldig wartenden Patienten ist Hoffmann damit der Hoffnungsträger. Nachdem sich zuletzt zwei Kassenärzte in Halberstadt und Thale in den Ruhestand verabschiedet hatten und eine weitere Medizinerin ihre Kassenzulassung zurückgab, war der Versorgungsnotstand bei Augenärzten nicht mehr nur Theorie.

Detlev Hoffmann blickt nun optimistisch nach vorn: „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Tagen keine Wartezeit mehr haben, die länger als drei Wochen dauert“, begründet der beim Ameos-Poliklinikum angestellte Mediziner seine Entscheidung, nach einem halben Jahr im Ruhestand doch wieder arbeiten zu gehen.

Wie groß die Not bei den Patienten war, wird beim Gespräch mit Wartenden deutlich. Viele bekamen bei anderen Augenärzten als Kassenpatient überhaupt keine Termine. Sie hätten entweder eine Selbstzahler-Sprechstunde mit Barzahlung festmachen oder in andere Städte fahren müssen.

„Ich habe im vergangenen Jahr wegen meines Grünen Stars versucht, bei einem Augenarzt in der Region in Behandlung zu kommen. An das Telefon ist nie jemand rangegangen“, berichtet eine Frau. Ein Mann, der bereits vor Tagen einen Termin vereinbart hatte, sagt: „Das hätte ich mir sparen können, das kann heute dauern.“ Aber wenigstens geht nun überhaupt etwas. Daran erinnert auch Gerald Horn. Der 59-Jährige sucht seit drei Jahren einen Augenarzt und steht heute um 5.45 Uhr auf der Matte. Er ist schließlich Hoffmanns Premieren-Patient und zieht ein rundum zufriedenes Fazit: „Was sind schon drei Stunden gegen drei Jahre?“

Dass es nun in punkto augenärztlicher Versorgung im Harz-Kreis wieder Lichtblicke gibt, ist nicht nur dem Ameos-Poliklinikum und Dr. Hoffmann zu verdanken, sondern auch der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die KV-Verantwortlichen suchten aufgrund des Versorgungsnotstands über Monate erfolglos nach einem Facharzt. Schließlich übernahmen sie selbst Verantwortung und starteten vor wenigen Tagen mit einer Eigenpraxis und angestelltem Augenheilkundler in der Richard-Wagner-Straße 24.

Im dortigen Ärztehaus praktiziert seit wenigen Tagen Thomas Richter. Auch er und die KV wissen vom Run auf die Fachärzte ein Lied zu singen: Als zum Jahresanfang die telefonische Terminvergabe startete, brach die überlastete Telefon-anlage zusammen.

Zurück zu Dr. Hoffmann. Er wollte eigentlich schon im Herbst starten, hatte jedoch mit technischen und bürokratischen Hürden zu kämpfen. Die sind bei ihm, den beiden Schwestern und einem Helfer längst vergessen. Ab März will der Hallenser übrigens zum Wahl-Harzer werden und in die Wohnung über der Praxis anmieten.

„Dann richte ich mir hier oben ein kleines Tonstudio ein. Jazz ist meine Leidenschaft. Ich spiele Keyboard und Gitarre und ich freue mich schon auf die 18. Halberstädter Jazznacht. Auch den Dom habe ich mir schon angesehen und bin begeistert“, verrät er. Und: „Ich will diese Praxis so lange betreiben, bis man mich mit beiden Beinen zuerst hier rausträgt. Manche meiner Kollegen praktizieren ja noch mit über 80 Lebensjahren“, kündigt er augenzwinkernd an.