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Gleimhaus Sternenspur der Zufälle und Kämpfe

Welche Coups manchmal gelingen, um eine Museumssammlung zu erweitern, davon berichtet die aktuelle Sonderschau im Gleimhaus.

Von Sabine Scholz 13.10.2015, 03:00

Halberstadt l „Stellen Sie sich vor, einer der Herren hätte den Zug verpasst.“ Dann würde das Porträtbild von Johann Georg Jacobi nicht in der Sammlung des Gleimhauses Halberstadt hängen, beendeten die Gäste der Ausstellungseröffnung am Sonnabend in Gedanken den Satz von Dr. Ute Pott. Die Chefin des Gleimhauses stellte gemeinsam mit Annegret Loose, der Bibliothekarin des Hauses, und mit Dr. Reimar Lacher, dem Kunsthistoriker des Gleimhauses, die Geschichten vor, die sich hinter der Erweiterung und Vervollständigung der Sammlungen des Museums verbergen.

Zufälle wie der einer Begegnung im Zug führten zu einigen Neuerwerbungen. Im Fall des Jacobi-Porträts saß ein Nachfahre von Friedrich Heinrich Jacobi, dem Bruder des Gleim-Freundes Johann Georg Jacobi, im Zug einem Mann gegenüber, der ein Buch von Johann Georg Jacobi las. Weil er in Besitz eines Porträts dieses Mannes war. „Dass es dieses außerordentlich beeindruckende Bildnis gibt, war der kunsthistorischen und literaturhistorischen Öffentlichkeit nicht mehr bekannt“, berichtete Reimar Lacher, „weil sich dieses Bild schon so lange in Privatbesitz befand.“ Nun kamen also beide Männer ins Gespräch und der Nachfahre Jacobis berichtete dem Gleimhausteam von seiner Begegnung, und so war es möglich, dieses Bild für eine Ausstellung als Leihgabe zu erbitten. Was ermöglicht wurde.

Im Ausstellungskatalog zu der Schau sei sein Blick immer wieder an der Abbildung hängengeblieben, berichtet Lacher. „Was für ein herrliches Porträt“, schwärmt er noch immer. Und zudem ein Bild eines der engsten Freunde Gleims. Jacobi hatte zeitweise auch in Halberstadt gelebt. Schnell war klar: das Bild muss ins Gleimhaus. „Und dann begann ein Reigen freudiger Ereignisse“, sagte Lacher. So war der Besitzer bereit, sich von dem Bild zu trennen und dies nach ersten Verhandlungen auch zu einem reellen Preis. Es gelang, das Land als Geldgeber zu gewinnen und auch der Förderkreis des Gleimhauses stellte Geld zur Verfügung. „Und dann fährt man los, holt das Bild ab, zeigt es in der Dauerausstellung nachdem die offizielle Übergabe gefeiert wurde.“

Die neue Sonderausstellung „Gelegenheiten – Trouvaillen – Desiderate“ zeigt die Erwerbungen des Hauses der vergangenen zwei Jahrzehnte. Geglückte Bietergefechte bei Auktionen, aber auch verlorene Kämpfe, völlig überraschende Angebote wie im Fall von sehr seltenen Blattdrucken Gleims oder plötzliche Anrufe des Frankfurter Zollamts – es sind spannende Geschichten, die die Mitarbeiter des Gleimhauses zur Eröffnung zum Besten gaben. Wer nicht dabei sein konnte, sollte sich diese Geschichten dennoch nicht entgehen lassen. Nachzulesen sind diese Berichte in einer kleinen Mappe, die in der Sonderausstellung ausliegt.

Während manche Dauerleihgaben, Schenkungen und Käufe in der Dauerausstellung zu sehen sind – und für die Ausstellung mit einem roten Stern samt weißem Schriftzug „New“ gekennzeichnet wurden –, werden andere für diese Ausstellung in drei Räumen gesondert gezeigt. Erkennbar dabei die neue Schwerpunktsetzung des Hauses: zum einen das Bemühen, die umfangreiche Sammlung Gleims zu rekonstruieren, zum anderen, die Phänomene und Themen der Zeit der deutschen Aufklärung durch Bücher, Bilder, Briefe zu erläutern und zu vertiefen.

Die Sonderausstellung ist bis zum 10. Januar im Gleimhaus zu sehen