Gremienarbeit Papierlose Politik

Die Stadtverwaltung in Osterwieck möchte demnächst papierarm arbeiten. Doch nicht jeder ist dazu bereit.

16.05.2017, 08:02

Osterwieck l Nicht zu einer papierlosen, aber hin zu einer papierarmen Gremienarbeit soll es gehen. Das hatte Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (parteilos/Buko) in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt Osterwieck gesagt. Der Vorschlag wurde an den Stadtrat weitergeleitet.

Begründung ist folgende: Papier ist teuer. Kämen die Sitzungen mit weniger Papier aus, würde die Stadt 4584 Euro im Jahr sparen.

Dies errechnet sich so: In der Gremienarbeit der Stadt Osterwieck sind aktuell jährlich etwa 35 Versammlungen geplant, darunter acht Stadtratssitzungen. Das Papier, Druck und Vorbereitung der Unterlagen allein für eine Stadtratssitzung kostet jährlich 2640 Euro, das sind pro Sitzung 330 Euro. In den Ausschusssitzungen sind es jährlich 3080 Euro und pro Sitzung 110 Euro. Insgesamt ergibt sich hier jährlich eine Summe von 5720 Euro.

Mit der zukünftigen papierarmen Gremienarbeit wären es pro Stadtratssitzung nur noch 65 Euro und jährlich 520 Euro. Bei den Ausschüssen würden sich zukünftig nur noch 22 Euro ergeben, das sind jährlich 616 Euro. Insgesamt wären es dann 1136 Euro. 5720 Euro minus 1136 Euro, daraus ergeben sich die gesparten 4584 Euro. Zudem sei die Sitzungsvorbereitung dann effizienter, heißt es in der Beschlussvorlage zum Ausschuss. Für die Vorbereitung der meist umfangreichen Unterlagen in Papierform für jedes Mitglied brauche ein Sitzungsbetreuer etwa acht Stunden.

Etwa die Hälfte der Stadtratsmitglieder arbeitet bereits digital. Die Einladungen werden ihnen per E-Mail zugesandt. Im Haupt- und Finanzausschuss saß man bereits nahezu vollständig mit tragbarem Computer und Tablet am Tisch. Auf den mobilen Geräten können die benötigten Unterlagen während der Sitzungen abgerufen werden, anstatt ausgedruckt vor den Abgeordneten zu liegen.

Auch die Bürger können sich papierarm über das Tagungsgeschehen informieren: Dem Internet lassen sich nämlich nicht nur die Termine der ­Sitzungen entnehmen, sondern auch die Beschlussvorlagen und Satzungen (siehe Infokasten). Ingeborg Wagenführ schlug vor, nach der ­Sommerpause die Einladungen zu den Stadtratssitzungen per Post zu verschicken. Im ­Umschlag wird sich ein USB-Stick – das ist ein digitaler ­Datenträger – befinden, auf dem die Unterlagen softwareunabhängig ­gespeichert sind.

Die papierarme Gremienarbeit sei auch eine Empfehlung an die Ortschaftsräte. Die Ortschaftsräte von Veltheim und Berßel hätten bereits zugestimmt. Die papierlose Arbeit ist langfristig geplant, jedoch erst, wenn das digitale Zeitalter wirklich bei jedem angekommen sei, sagt die Bürgermeisterin. Dirk Heinemann (SPD) fragte, ob es denn für den Stadratsältesten Ulrich Simons (CDU), den Ortsbürgermeister von Osterwieck, möglich wäre, noch Papier zu bekommen. Sascha Neuhäuser (SPD) erwähnte daraufhin, dass es daran nicht scheitern solle, sondern er im Zweifel persönlich die Unterlagen für ihn ausdrucken würde.

Ulrich Simons selbst konnte am Ausschuss krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Der 74-Jährige ist allerdings alles andere als begeistert von dem Verwaltungsvorschlag. „Ich halte nichts davon, ich möchte Papier haben. Ich habe diese ganze Technik nicht. Nicht etwa, weil ich es mir nicht leisten könnte, sondern weil ich sie ablehne. Ich muss jetzt ersteinmal sehen, wie ich damit klarkomme und wie meine weitere Arbeit möglich ist.“ Er werde den Vorschlag im Stadtrat sicher ablehnen, selbst wenn ihm angeboten wird, dass für ihn die Unterlagen exklusiv ausgedruckt werden. Dabei ist der gebürtige Berliner ein politisches Urgestein in Osterwieck. Er wohnt in der Ilsestadt seit 1979 und ist seit der Wende politisch aktiv. Ulrich Simons ist seit 25 Jahren CDU-Mitglied und seit 1994 Bürgermeister beziehungsweise Ortsbürgermeister. Der Ausschuss hatte dagegen einstimmig für den Vorschlag votiert.