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Austausch-Projekt Einmal über den Tellerrand schauen

Im Zuge eines Partnerprogramms hat Ornela Milevikj aus Mazedonien an der Evangelischen Sekundarschule in Haldensleben hospitiert.

Von Franziska Stelter 02.12.2016, 23:01

Haldensleben l Wo liegt eigentlich Mazedonien? Diese Frage stellte sich auch Schuldirektorin Pia Kampelmann, als sie hörte, dass sie eine Gast-Lehrerin aus eben diesem Land an ihrer Schule begrüßen darf. „Ich musste erst einmal googeln, wo das genau liegt. Da stehe ich zu meiner Lücke“, gibt die Schulleiterin zu.

Im Zuge des Programms „Schulen: Partner der Zukunft“ (kurz „Pasch“) hospitierte die junge Deutschlehrerin aus Mazedonien bei Pia Kampelmann an der Evangelischen Sekundarschule. Die Zusammenarbeit der Frauen beweist, wie erfolgreich solch ein Projekt sein kann und wie beide Seiten davon profitieren können.

„Ich bin sehr traurig, dass sie geht und hätte sie am liebsten hier behalten“, sagt Kampelmann traurig. Es ist ihr anzumerken, wie sehr sie die mazedonische Lehrkraft vermissen wird – fachlich und menschlich. Und so schwärmt auch Ornela Milevikj über Pia Kampelmann: „Sie ist eine lebende Legende. Und eine großartige Schuldirektorin!“ Während ihrer dreiwöchigen Hospitanz hat die Mazedonierin fast alle Deutschstunden der Klassen besucht. „Erst habe ich nur passiv hospitiert, so ist es vorgegeben. Frau Kampelmann hat mir dann aber auch erlaubt, aktiv dabei zu sein. Sie gab mir die Chance, mich nützlich zu machen.“

„Eine gute Lehrkraft ist nun mal spontan“, erklärt Pia Kampelmann. Sie ist begeistert von dem Projekt. „Das ist nicht nur spannend für die, die herkommen, sondern auch für uns. So können wir uns hier einmal den Spiegel vorhalten und sehen, was andere anders machen. Mit den Jahren ist man ja auch festgefahren in seiner Arbeit. Da ist es toll, wenn neue Leute kommen, die einen ganz anderen Zugang zur Arbeit haben“, sagt sie fachmännisch.

Und diesen anderen Zugang hat die Deutschlehrerin der Schule „Goce Delcev“ in Mazedonien. „Unsere Schule ist eher spießig, sie liegt mitten im Zentrum der Hauptstadt Skopje“, sagt sie. So werde viel Wert auf eine Ausbildung gelegt, etwa gehe der Sohn des Bürgermeisters in ihre Klasse. Die Eltern seien sehr ehrgeizig, hätten oft aber auch keine Zeit für die Kinder, worunter die Erziehung leide. „Dadurch dass es eine staatliche Schule ist, bekommen wir viele Vorschriften vom Ministerium, haben noch mehr Methoden für den Unterricht, als hier“, erklärt Ornela Milevikj.

Trotzdem wolle sie alles, was sie von Pia Kampelmann gelernt hat, nach Hause mitbringen. Denn an ihrer Schule fehle es oft an Erziehung der Kinder. „Die Eltern haben dafür keine Zeit, das merkt man den Schülern an, viele sind sehr frech zu den Lehrern“, berichtet sie. „In Haldensleben hingegen ist das Klima toll, die Schüler haben gute Umgangsformen. Es wird auch auf die Erziehung geachtet. Was nützt es denn, wenn Kinder frech sind? Da bringen gute Noten auch nichts“, stellt die Mazedonierin fest und erklärt, dass sie besonders diese positive Arbeitsatmosphäre vermissen werde.

Mit Deutschland ist sie schon lange verbunden, studierte in Skopje Deutsche Sprache und Literatur. Bereits seit sie neun Jahre alt war, träumte sie von diesem Studium. „Ich habe eine Tante in Hamburg, die mir immer von Deutschland erzählt hat. Ich dachte, jeder kann Englisch, aber ich wollte etwas anderes. Deutsch ist eine kräftige, schwere Sprache. Eine Herausforderung“, erklärt sie. „Ich sage meinen Schülern immer: ‚Wenn ihr es schafft, Deutsch zu lernen, dann könnt ihr auch Japanisch lernen‘“, sagt Ornela Milevikj mit einem Schmunzeln.

Auf das „Pasch“-Programm aufmerksam wurde sie durch eine Mail vom Goethe-Institut. Sie füllte die Anmeldung aus und bekam wenig später den Bescheid, dass sie für drei Wochen nach Haldensleben reisen wird – eine Entfernung von 1370 Kilometer Luftlinie.

Die Mazedonierin erinnert sich: „Als ich ‚Haldensleben‘ las, dachte ich nur ‚Wo ist denn das?‘, aber Magdeburg sagte mir etwas. Du bewirbst dich und weißt nicht, wo du landest.“ Pia Kampelmann pflichtet ihr bei: „Genauso ist es für uns eine Überraschungskiste, wer kommt. Sowas mag ich ja! Für die Schüler ist das auch eine Erfahrung, dass sie sehen, was es so außerhalb von Deutschland gibt. Ich finde, es ist wichtig, dass sie lernen, über den Tellerrand zu schauen.“

Und das haben die Schüler der Evangelischen Sekundarschule mit Hilfe von Ornela Milevikj getan. „Die meisten wussten natürlich nicht, wo mein Land liegt, also habe ich ein Quiz mit ihnen gemacht“, sagt sie. Jetzt könnten sich einige auf Mazedonisch vorstellen. So wurde sie am Ende ihrer Hospitanz oft auf dem Flur mit ‚Zdravo‘, dem mazedonischen ‚Hallo‘ begrüßt. Sie freut sich: „Es ist schön, dass jetzt immerhin die 260 Schüler der Evangelischen Sekundarschule wissen, wo Mazedonien liegt.“