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Naturpark Drömling Landwirte sind gegen Biosphärenreservat

Die Etinger Landwirte im Drömling sehen die Pläne der Umwandlung des Naturparks in ein Unesco-Biosphärenreservat sehr kritisch.

Von Anett Roisch 23.09.2016, 01:01

Etingen l Naturparkleiter Fred Braumann stellte den aktuellen Stand der Umwandlung des Naturparks in ein UNESCO-Biosphärenreservat bei der Ortschaftsratssitzung vor und stellte sich den Fragen der Bürger. Braumann sieht mit dem Titel „Biosphärenreservat“ eine große Chance die Region bekannt zu machen und damit den Tourismus und die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Kritisch sehen viele Landwirte die Entwicklung vom Naturpark zum Biosphärenreservat. „In der Biosphärenreservatsverordnung gibt es keine neuen Gebote und Verbote. Auch der Hochwasserschutz wird weiter gewährleistet“, erklärte der Naturparkleiter. Das werde bereits alles über die Landschutzgebietsverordnung geregelt.

Die Entwicklung eines gemeinsamen Biosphärenreservates der Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen im Drömling sei – nach seinen Ausführungen – auf einem guten Weg. Zwar konnte das anvisierte Ziel, bis zum Sommer ein positives Votum zum Biosphärenreservat zu erhalten, noch nicht erreicht werden, jedoch gäbe es bisher ausschließlich positive Willensbekundungen bei den Befassungen in den örtlichen Räten.

In Sachsen-Anhalt haben bereits die Stadt Klötze, die Hansestadt Gardelegen, die Gemeinde Calvörde und die Stadt Haldensleben ihre Zustimmung zum Biosphärenreservat bekundet. Offen ist nur noch die Beschlussfassung im Stadtrat von Oebisfelde-Weferlingen und in Niedersachsen in der Gemeinde Tiddische und der Stadt Wolfsburg. Bedingung ist, dass alle Gemeinden dem Weg zum Biosphärenreservat zustimmen.

Landwirtin Annelore Koesling von der Agrargesellschaft Etingen wollte wissen, was ein Biber Management ist. Braumann erklärte, dass etwa 200 Biber in 70 Revieren im Drömling leben. „Das hat dazu geführt, dass im Jahr etwa 150 Anträge auf Damm-Entnahmen gestellt werden. Wir haben eine Verfahrensweise entwickelt, dass wir innerhalb von drei Tagen gemeinsam mit dem Unterhaltungsverband reagieren. 85 Prozent der Dämme werden herausgenommen, um Überflutungen entstehen zu lassen. Was in Sachsen-Anhalt nicht gesichert ist, dass die Biberschäden vom Land erstattet werden“, so Braumann.

Zehn Prozent von den Beiträgen gingen auf Kosten der Biber, die der Eigentümer zahlen muss und die auf den Nutzer übertragen werden. Der Naturparkleiter könne sich gut vorstellen, dass diese Finanzierung ein Pilotprojekt werden könnte. „Warum müssen wir als Landeigentümer für die Schäden zahlen, die ihre Biber verursachen?“, fragte Hans-Günter Kapps, Vorsitzender des Etinger Reitvereins.

„Was nützt da ein Management?“, fragte Wolfgang Köhler, Geschäftsführer des Bauernverbandes Börde. „Der Biber verursacht Schäden in Höhe von 100 000 Euro. Zahlen müssen das die Landwirte. Das muss ausgeglichen werden“, forderte Köhler. Er sieht eine Verschärfung und Benachteiligung der Landwirte. „Wenn wir die Grünlandflächen nicht mehr bewirtschaften können, wird Grundeigentum entwertet. Wir brauchen Grünlandprogramme, mit denen die Landwirte im Drömling gestärkt werden können.“ Er fordert, ein Recht auf Entschädigung.

„Wir können mit der Grünlandnutzung keinen Gewinn machen. Wenn wir das Grünland weiter mähen sollen, dann brauchen wir konkrete finanzielle Zusagen vom Land für langfristige Förderungen“,betonte Landwirt Tim Koesling aus Etingen. Baumann verwies die vergangenen Diskussionen der Arbeitsgruppen über ein regionales Grünlandprogramm Drömling und stimmte zu, dass dort ein Weg gefunden werden muss. „Lasst uns doch das kleine gallische Dorf sein und zu diesem Vorschlag ,Nein’ sagen, solange sich niemand wirklich verpflichtet hat, die Finanzierung dieser ganzen Entwicklung zuzusagen. Das Land Sachsen-Anhalt muss mit diesem Biosphärenreservat auch eine Verpflichtung eingehen“, schlug Tim Koesling dem Ortschaftsrat vor.

Friedrich Widdecke, ehemaliger Landwirt aus Etingen, appellierte an den Ortschaftsrat „Macht euch die Entscheidung nicht so leicht! Denkt an die kommenden Generationen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir noch Einfluss haben, wenn es ein UNESCO-Biosphärenreservat ist.“

Hendrik Scharf (CDU), Mitglied im Etinger Ortschaftsrat, fragte den Naturparkleiter, ob mit dem Biosphärenreservat die Möglichkeit besteht, die alte Bockwindmühle – als Wappen von Etingen – restaurieren zu lassen. Braumann nannte Beispiele aus anderen Biosphärenreservaten. Dort war es gelungen, Kulturerbe mit Landesmitteln zu fördern. Das Problem sei dabei der Eigenanteil, den der Eigentümer der Mühle zahlen müsste.

Der Etinger Manfred Wesche (CDU), ehemaliger Landwirt und Mitglied im Stadtrat, hakte nach: „Ist es nicht laut ihrem Vortrag so, dass mit dem Biosphärenreservat kein Förderprogramm gibt?“

Braumann gestand: „Es gibt kein direktes Förderprogramm. Aber mit Biosphärenreservat gibt es die Chance Sonderprogramme und spezielle Pilotprojekte zu starten.“

Annelore Koesling sagte abschließend: „Ich verstehe, dass das Biosphärenreservat eine echte Chance für die Region bietet. Ich glaube auch, dass es letztendlich dahin führen wird. Aber allein der Weg dahin ist nicht richtig. Wir müssen erst dafür sorgen, dass die finanziellen Mittel für den Ausgleich für die Landwirte da ist.“

Wesche brachte es auf den Punkt: „Fakt ist, dass Sie uns die finanzielle Unterstützung nicht versichern können. Sie können nicht versprechen, dass die Landwirte zukünftig nicht auf der Strecke bleiben.“

Etingens Ortsbürgermeister Marko Alex (UWG) bat sein Gremium um die Abstimmung. Der Etinger Rat sprach sich (mit fünf Nein-Stimmen, einer Ja-Stimme und einer Enthaltung) gegen das Biosphärenreservat aus. Die Entscheidung ist nur eine Empfehlung. Letztendlich wird der Stadtrat entscheiden, ob es grünes Licht für das Biosphärenreservat gibt.