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Flüchtlingscamp DRK geht auf Essgewohnheiten ein

Der DRK-Kreisverband unterstützt seit gut einer Woche das Land bei der Betreuung der Flüchtlinge in Klietz.

Von Andrea Schröder 06.10.2015, 18:54

Klietz l „Sechs, sieben, acht, neun, zehn.“ Einige junge Männer kehren gerade wieder ins Camp zurück und üben das Zählen auf Deutsch. Eine größere Gruppe Flüchtlinge steht vor dem einstigen Kinosaal der Klietzer Kaserne, wartet auf die Registrierung. Sie sind am späten Sonntagabend mit dem Bus angekommen. Es sind mehrere Kleinkinder dabei. Die 18 Kinderbetten, die aus Stendal und Seehausen bereitgestellt wurden, sind inzwischen alle in Benutzung. Ein kleiner Junge fährt auf dem Bobby Car. „Hallo“, ruft er Vorbeikommenden zu. Das Leben im Flüchtlingscamp wirkt entspannt an diesem sonnigwarmen Herbsttag. Wie in einem Dorf trifft man Leute auf der Straße. Einige gehen einkaufen am mobilen Wagen. Über einen dicken Ast hat jemand ein breites Band gespannt. Diese Schaukel ist dicht umringt von Kindern. Aus einigen Fenstern ist Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Im Versorgungszelt, das in sechs Wochen gegen ein Winterzelt ausgetauscht wird, gibt‘s Mittag. Geordnet stehen die Menschen in der Schlange.

Das DRK kümmert sich im Auftrag des Landes um die Essenversorgung in der Landesaufnahmeeinrichtung, kurz Lae, die eine Woche zuvor die ersten Flüchtlinge in Klietz aufgenommen hat. Die Essgewohnheiten sind anders, darauf haben sich die Mitarbeiter eingestellt. „Wir haben mit Kollegen in Nordrhein-Westfalen gesprochen, die Erfahrungen mit der Essenzubereitung für Flüchtlinge haben, und in unseren Bekanntenkreisen Tipps von Muslimen und Syrern bekommen“, sagt Enrico Schmitt. Schweinefleisch ist tabu. Aber auch so einfache Dinge wie dicke, sämige Soßen, die in Deutschland oft auf den Teller kommen, sind nicht bekannt. Stattdessen sind Obst und Gemüse sehr gefragt. Reis- und auch Nudelgerichte, Kuskus, Hühnchen und Lamm sowie manche Fischsorten sind erlaubt. „Auch mit den Gewürzen stellen wir uns auf die Gewohnheiten ein und verwenden zum Beispiel Kreuzkümmel“, sagt der DRK-Mitarbeiter. Weißbrot wird viel gegessen. Beim Wasser ist die stille Variante gefragt. Die mit Kohlensäure vertragen die Menschen nicht. Durchfall wäre die Folge. In den ersten Tagen kaufte das DRK wohl sämtliche Vorräte der Region an schwarzem Tee auf. Ein beliebtes Getränk. „Ein ungewohnter Blick war für uns anfangs, dass auch Kinder Kaffee trinken.“ Und davon, dass alles gern sehr süß getrunken wird. Andere Leute wegen ihrer Essgewohnheiten zu verurteilen, kommt für ihn nicht infrage. Vielmehr sind er und die Mitarbeiter bemüht, Befindlichkeiten zu berücksichtigen.

So auch jetzt in der Zeit des Ramadans, wenn erst nach Sonnenuntergang gegessen werden darf. Dass manche Flüchtlinge deshalb ihr Essen mit aufs Zimmer nehmen, wird toleriert. „Mit dem Essen steht und fällt die Zufriedenheit der Bewohner.“ Am Montag gab es ein Treffen zwischen Koch, Flüchtlingsvertretern und Dolmetscher, um sich noch besser abstimmen zu können.

Die Essenzubereitung für Frühstück, Mittag und Abend übernehmen die Behindertenwerkstätten des DRK in Schönhausen. So wie auch das Waschen der Handtücher und der Bettwäsche. Die Versorgung der rund 700 Flüchtlinge ist nur ein Part, mit dem das DRK das Land unterstützt, berichtet der Vorstandsvorsitzende des Kreisverbandes Altmark Ost Frank Latuske. Vor allen Dingen ist es die soziale Betreuung im Camp, die Mitarbeitern und Ehrenamtlichen am Herzen liegt. „Da sind wir dabei, das auf- und auszubauen.“ Deutschkurse durch den Klietzer Werner Grabolle und weitere Ehrenamtliche gibt es schon. Derzeit wird der erste von zwei Waschcontainern eingerichtet, in dem die Flüchtlinge künftig ihre persönliche Wäsche selbst waschen können. In die Bedienung der Waschmaschinen werden sie eingeführt.

„Wir wollen die Flüchtlinge möglichst viel mit einbinden und viele wollen auch mitmachen“, berichtet Frank Latuske etwa von spontanen Hilfsangeboten, wenn jemand was zu tragen hat. Verschiedene kleine Bausteine sollen in den nächsten Tagen und Wochen zusammengefügt werden. Ideen gibt es einige. Zum Beispiel einen Strickkurs für Frauen und eine Holzwerkstatt, in der Kinderspielzeug hergestellt werden könnte. Auch in die Mittagsversorgung könnten Flüchtlinge mit einbezogen werden.

Zurzeit sind es rund sieben Leute pro Schicht vom DRK, die die 24-Stunden-Rundumabsicherung übernehmen. Die Hälfte sind Mitarbeiter, die andere Hälfte ehrenamtliche Mitglieder des DRK und weitere Freiwillige. Der Personalschlüssel soll steigen. „Auch in den Ortsvereinen haben wir große Hilfe“, berichtet Frank Latuske. Etwa aus den fünf Kleiderkammern, die Sachen vorsortieren nach dem, was gebraucht wird. Manch Flüchtling kommt barfüßig in Flipflops in Klietz an. Seit Montag ist die Kleiderkammer im Bereich der Bühne des Kinosaales eingerichtet. Spendenaufrufe soll es gezielt geben, wenn der Bedarf größer wird.

Das DRK kümmert sich auch um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge. Ein Arzt, der mehrere Sprachen spricht, bietet gemeinsam mit einer Schwester tagsüber eine Sprechstunde an. Ansonsten ist der Sanitätsdienst des DRK vor Ort.

„Wir haben viele Helfer auch hier aus der Region“, sagt Frank Latuske. Sie unterstützen etwa bei der Essenausgabe und in der Kleiderkammer. Der Kindergarten kümmerte sich um Ortspläne, damit die Flüchtlinge wissen, wo zum Beispiel Verkaufsstellen oder ein Friseur zu finden sind. Wichtig für alle auch: „Die Bedingungen hier sind top.“