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Park Wuster haben einen barocken Schatz

Dass sie einen großen Schatz haben, bescheinigten Denkmalschützer den Wustern, die sich über die Flutsanierung ihres Parkes informierten.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 23.01.2017, 13:41

Wust l Selbst durch den Park wandeln können die Wuster und Gäste seit dreieinhalb Jahren nicht. Denn im Juni 2013 hatte das Gelände hinter dem Herrenhaus derer von Katte, heute Grundschule, im Flutwasser gestanden. Nicht alle Bäume sind mehr standsicher und könnten umstürzen, deshalb ist der Park gesperrt. Etliche Bäume sind bereits gefällt worden.

Das Ensemble soll zu neuem Leben erwachen. Wiederaufbaumittel nach der Flut gepaart mit Geldern für den denkmalpflegerischen Mehraufwand machen das möglich. „Wir haben jetzt diese einmalige Chance, die wir nutzen sollten“, sagte Bürgermeister Bodo Ladwig vor wenigen Tagem, als zur Konzeptvorstellung in den Seniorenraum eingeladen wurde. Viele Dorfbewohner waren gekommen. Ihr Anliegen: Sie freuen sich, dass der Park seinen alten Glanz zurück erhält. Aber sie möchte auch mit dem Park leben und auf Liebgewordenes nicht verzichten. Dazu gehört der Volleyball- und der Bolzplatz in dem Parkbereich vor dem Herrenhaus neben der Kirche, der sich „Platzgarten“ nennt. Und auch der zu DDR-Zeiten angelegte und 2011 noch einmal erhöhte Rodelberg gehört für die Wuster zum Park dazu. „Wir werden Kompromisse eingehen müssen“, meinte Bodo Ladwig vor allem in Bezug auf den Rodelberg.

Noch ist nichts entschieden und bevor tatsächlich mit der Flutsanierung begonnen wird, gibt es noch Gelegenheit, an den Plänen zu feilen. Dabei helfen möchte ein „Park-Aktiv“, dessen Gründung Hansi Friesecke spontan vorgeschlagen hat. Wieland Reich sagte sofort seine Mitarbeit zu. Die vier, fünf Mitwirkenden sollen die Planer unterstützen und Bindeglied zwischen ihnen und den Dorfbewohnern sein. Denn den Wustern soll nichts aufgezwungen werden.

Dennoch muss für die Inanspruchnahme von Fördermitteln und vor allem für die von der Unteren Denkmalbehörde des Landkreises Stendal zu erteilende Baugenehmigung alles unter Berücksichtigung des denkmalpflegerischen Aspektes erfolgen. Zielstellung ist: den vorhandenen Bestand erhalten und den Park erlebbar machen.

Wie es aussehen könnte, stellte Anja Brückner vom Büro für Landschaftsarchitektur in Zernitz vor. Sie und ihre Mitarbeiter haben eine „Gartenpflegerische Rahmenzielstellung und ein Entwicklungskonzept“ erstellt.

Voraussetzung dafür war erst einmal ein Bestandsplan. Gut ein Jahr wurde daran gearbeitet. Alle 2400 Bäume sind erfasst und vermessen, die Wege dokumentiert, nach alten Unterlagen wurde erfolgreich gesucht, Schäden aufgenommen. „Tatsächlich hat die Flut eine Reihe von Schäden angerichtet. Aber im Vergleich zum Schönhauser Bismarck-Park, wo das Wasser fünf Wochen lang nicht abgeflossen ist, sind diese Schäden noch gering“, sagte Anja Brückner. Auch wenn die Wasseranlage mit Gräben und mehreren Teichen verschlammt, mit Totholz übersät und teilweise auch zugewachsen ist, so ist solch eine umfangreiche, barocke Anlage in der Region kaum noch vorhanden und vergleichbar mit repräsentativen Ensemblen wie beispielsweise im geschichtsträchtigen Rheinsberg.

Wie gut alles noch erhalten ist, entdeckten die Planer anhand eines Planes von 1806. Mit Hilfe der vom aktuellen Zustand des Parkes angefertigten Zeichnung konnte ein guter Vergleich gestellt werden. Beschrieben wird der Park zu dem Zeitpunkt als „Gartenkunstwerk“.

Rund 300 Jahre ist das Ensemble alt, seine barocke Blütezeit hatte es zwischen 1730 und 1760. Es umfasst weit mehr als nur den Bereich hinter dem Herrenhaus. Denn auch der Platzgarten vor dem Herrenhaus links neben der Kirche (hier steht auch das Kriegerdenkmal) gehört dazu. Die Achse, in der sich mittig das Herrenhaus befindet, ist insgesamt 700 Meter lang.

Direkt vor dem Herrenhaus befand sich der Ehrenhof. Heute nur Rasenfläche und Blumenbeet, war er einst sehr repräsentativ, sogar Kanonen standen hier als Zierde. Die Gartenanlage ging gleich hinter dem Herrenhaus weiter – der heutige Schulhof befindet sich also mitten im Park. Weiter geht es dann in das reich mit Bäumen bewachsene Areal (oberflächlich betrachtet der eigentliche Park) samt Wassersystem. Wie schön es einst gewesen sein muss, belegt die alte Zeichnung: Es gab mehrere kleine Gebäude, zu denen auch ein Teehäusschen gehörte. Entsprechende Schürfungen, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurden, bestätigen das.

Auch Sockelfundamente der Sandsteinfiguren, die einst imPark standen, sind vorhanden. Diese barocken Figuren sind bereits 1860 das erste Mal restauriert worden, auf einer alten Postkarte von 1930 sind sie gut zu erkennen. Doch sie fielen dem Vandalismus zum Opfer und wurden 1950 abgeholt und im Park Mosigkau aufgestellt. Aber auch hier blieben sie nicht lange unbeschädigt, so dass sie dort inzwischen seit vielen Jahren eingelagert sind und ein tristes Dasein fristen. Schön wäre, sie wieder an ihrem angestammten Platz in Wust aufzustellen. Das wünschen sich auch die Bewohner. „Wir schaffen das schon! Die Figuren müssen zurück nach Wust“, sagte Wieland Reich, als es darum ging, dass dafür Fördermittel beantragt und vielleicht auch Eigenmittel aufgebracht werden müssten. Denn Flutmittel gibt es dafür natürlich nicht. Aber beispielsweise für die Brücke, die zur kleinen Insel über den Graben führte. Sie steht nach der Flut nicht mehr an ihrem Platz, ist unbrauchbar.

Während in den Gräben das ganze Jahr über mehr oder weniger Wasser ist, sind die Teiche teilweise zugewachsen. Sie sollen im Zuge der Sanierung wieder so hergestellt werden, dass Wasser darin steht beziehungsweise durchfliest, entsprechende Absprachen mit dem Wasserverband „Trübengraben“ hat es bereits gegeben.

Bei der Neugestaltung soll zwar das Original von vor 300 Jahren die Grundlage bilden, aber auch das im Laufe der Jahre Gewachsene soll soweit der Denkmalschutz zustimmt Berücksichtigung finden. Dazu gehört die zu DDR-Zeiten angelegte Festwiese.

Zu bedenken geben die Planer auch, ob die Straße samt Parkplätzen, die den jetzigen Schulhof vom Park trennen, wirklich nötig sind.

Die alte 700 Meter lange Achse ist nicht mehr an allen Stellen deutlich zu erkennen. Das soll wieder geschehen.

Noch nicht ganz klar ist, wie die Besucher künftig in den Bereich hinter dem Herrenhaus geführt werden – jetzt ist der Eingang sehr unscheinbar. Möglich wäre eine Führung über den Schulhof direkt auf die alte Achse hinein in den Park.

An den vielen Details muss in den kommenden Monaten noch gefeilt werden. Aber ewig Zeit bleibt nicht. Denn in den kommenden vier Jahren muss das Flutsanierungsgeld ausgegeben werden.

Wenn der Entwurfsplan vorliegt, wird der dem Rat und den Bürgern vorgestellt, jeder kann seine Meinung dazu sagen. Beim entgültigen erneut auszulegenden Plan werden die möglichen Einwände abgewogen. Und erst wenn die Denkmalbehörde zustimmt, kann es losgehen.

Die Aufwertung, die Wust mit dem barocken Park erhält, ist groß. „Wir sind froh, dass wir nun diese Chance haben, der Park ist ein Geschenk“, ist Hansi Friesecke dankbar für die bevorstehende Sanierung. Dem schloss sich Jürgen Bastek an.

Wie es denn nun weitergeht, wollte Anja Meyer wissen. Denn die Wuster bedauern es sehr, dass der Park seit Sommer 2013 gesperrt ist. Nicht nur die Dorfbewohner spazieren hier gern, sondern auch die Kindergartenkinder, die Sommerschüler, die Touristen ... Wenn es bis Ende Februar gelingt, die Bäume zu sichern, wäre eine Öffnung, vielleicht auch nur in Teilen, möglich. Der Baumgutachter war bereits vor wenigen Tagen erneut vor Ort.

Dass den Wustern nichts aufgezwungen wird und sie Mitspracherecht haben, beweisen die aktuellen Straßenbauarbeiten. Die Denkmalschützen hatten vorgeschlagen, zur Sichtbarmachung der Achse und des historischen Ensembles sollte die Breite Straße vor dem Herrenhaus auf dem Stück bis inklusive vor der Kirche mit Kopfsteinpflaster versehen werden. Aber man entschied sich am Ende auf Wunsch der Anlieger wegen der befürchteten Geräuschkulisse doch für Asphalt. Aber zumindest die Gehwege werden dem historischen Vorbild folgend nicht mit Betonstein, sondern mit Naturstein gepflastert.

Die Wuster leben mit ihrem Park und haben viele schöne Erinnerungen. So erzählte Helmut Knopf beispielsweise, dass die überfluteten Teiche im Winter 1947 eine große Eisfläche bildeten, „auf der wir Kinder Schlittschuh gelaufen sind“.