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Sommerschule Guter Kaffee ist nicht schwarz

Abwechslunsgreiches Programm bei der Sommerschule in Wust: mit Orgelkonzert, einer Reise in die Kaffeewelt und einem interessanten Vortrag.

Von Sabine Stimming 21.07.2016, 23:01

Wust l Ab 20 Uhr gibt es im Speicher einen interessanten Vortrag von Jakob Preuss über seinen neuen Dokumentarfilm „... und das Streben nach Glück – Als Paul über das Meer kam“. Ein Film über eine Freundschaft in einem politisch und weltgeschichtlich brisanten Umfeld: Paul ist ein Arbeitsmigrant aus Kamerun. Er hat sich durch die Sahara bis nach Marokko durchgeschlagen. Dort wartet er in den Wäldern an der Küste darauf, über das Meer nach Europa zu gelangen.

Der Berliner Filmemacher Jakob Preuss hat den Fall der Mauer als Teenager miterlebt, woraus die Motivation für seinen Film über Europas heutige Grenzen entstand. So lernen sich Jakob und Paul im Migrantencamp im Wald kennen, kurz bevor Paul in einem Schlauchboot nach Spanien übersetzt. Doch die Überfahrt dauert 50 Stunden und fordert den Tod von über der Hälfte der Passagiere. Anstatt psychologischer Betreuung erwartet Paul in Spanien Abschiebehaft. Erst nach seiner Freilassung trifft er Jakob in Granada wieder. Zunehmend wird Deutschland das Ziel der Reise und Jakob muss sich entscheiden, ob er beobachtender Filmemacher bleibt oder Paul bei seinem Streben nach Glück hilft. Am Ende kann er es selbst kaum glauben, dass Paul jetzt in seinem ehemaligen Kinderzimmer wohnt.

Jakob Preuss zeigt Ausschnitte aus seinem Dokumentarfilm-Projekt und erzählt von den Dreharbeiten. Die Premiere ist für Herbst geplant.

Der Auftakt der zweiten Sommerschulwoche war musikalisch. Sommerlichen Hörgenuss bot am Montag die Amerikanerin Annie Laver in der Sydower Kirche. Viele Zuhörer aus den umliegenden Orten sowie Dozenten und Teilnehmer der Sommerschule erlebten ein anspruchsvolles Orgelkonzert mit Werken unter anderem von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und Archangelo Corelli. Im Anschluss luden Mitglieder der Kirchgemeinde zu einem gemütlichen Beisammensein ein, zu dem sie einen kleinen Imbiss vorbereitet hatten.

Einen Tag später lockte das Begleitprogramm der Sommerschule in den Speicher: In die Welt des Kaffees entführte Sven Döbbelin aus Tangermünde. Er ließ die Gäste in seinem rund zweistündigen Seminar mit allen Sinnen erkennen, „dass Kaffee ein Genuss sein sollte und kein Alltagsgetränk“. In anschaulich unterhaltsamer Weise erklärte der gelernte Kaffeeröster mit umfangreichem Hintergrundwissen die Herkunft, den Anbau, die Verarbeitung und Zubereitung des beliebten Getränks, das durchaus auch zum Politikum werden konnte. Denn die Kaffeekirsche, die ihre besten Wachstumsbedingungen am Äquator findet, wurde in den 80er Jahren erstmals in Viet- nam eingeführt. Die DDR-Führung wollte den Kaffeebedarf der eigenen Bevölkerung absichern und unterstützte den Anbau und Import der Sorte Robusta in dem südostasiatischen Land, der jedoch kurz nach der politischen Wende zunächst zusammenbrach.

Dass Kaffee nicht gleich Kaffee ist, machte Sven Döbbelin seinen vorwiegend weiblichen Zuhörern in vielfältiger Weise deutlich. Dazu gehört vor allem die Wahl der richtigen Bohne, was für ihn bedeutet, sie vor Ort bei den Erzeugern auszusuchen, zu testen und schließlich für sein Geschäft in Tangermünde zu ordern. Im Vergleich zu herkömmlichem Industriekaffee sind die von Sven Döbbelin gerösteten Bohnen nicht schwarz, sondern ergeben, schonend geröstet, keinen schwarzen Kaffee. „Kaffee schwarz ist für mich ein Schimpfwort“, so der Tangermünder, denn durch die dunkle Röstung wird nicht nur minderwertige Qualität überdeckt, auch die vielfältigen natürlichen Aromen der Kaffeekirsche können nicht mehr herausgeschmeckt werden. „Mein Kaffee sieht eher aus wie ein guter Whisky,“ beschreibt er seine Produkte.

Im praktischen Teil des Seminars testeten die Besucher die mitgebrachten Kaffeesorten, die in drei verschiedenen Arten aufbereitet wurden.

Bevor es jedoch soweit war, zelebrierte der Barrista die Zubereitung in den cupping bowls: Mit nicht mehr kochendem Wasser wurde das Kaffeepulver mit kreisenden Bewegungen überbrüht und durfte zwei Minuten sein Aroma entfalten. Nachdem die Kruste gebrochen wurde, warteten die gespannten Gäste nochmals 12 Minuten, bis der Kaffee die richtige Trinktemperatur erhalten hatte. Wer weiß schon, dass die perfekte Trinktemperatur zwischen 28 und 32 Grad liegt? Mit einem speziellen Kaffeelöffel durfte dann nicht nur gekostet, sondern laut geschlürft werden, um die unterschiedlichen Aromen herauszuschmecken. Und siehe da: Die vorwiegend an den Einheitsgeschmack des Industriekaffees gewöhnten Gaumen der Anwesenden erkannten Geschmacksrichtungen wie Johannisbeere oder schwarze Olive und bestätigten die Einschätzung des Seminarleiters, dass Frauen und Männer unterschiedliche Geschmacksprioritäten haben.

Dass für die meisten Workshopteilnehmer mehr herauskam als „Kaffeeschlürfen“, brachte eine Besucherin mit den Worten auf den Punkt: „Dann habe ich bisher wohl keinen Kaffee getrunken.“