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Erdbeben in Nepal Zwei Altmärker hatten Todesangst

Die Folgen des Erdbebens in Nepal im April waren verheerend. Daniela Jährig erlebte die Katastrophe und informiert über den Wiederaufbau.

Von Siegmar Riedel 07.01.2016, 02:00

Klötze/Kathmandu l Daniela Jährig aus Klötze und ihr Lebensgefährte Steffen Schöley gründeten vor einigen Jahren in Nepal den Verein LiScha Himalaya, der die Einheimischen mit mehreren Projekten unterstützt. Deshalb erlebten sie die Erdbeben in Nepal hautnah. Für beide war das eine Schocksituation. „Man ist so ohnmächtig und kann nichts tun“, berichten sie bei einem Besuch in der Redaktion der Volksstimme vor wenigen Tagen. „Das war das erste Mal, dass wir Todesangst hatten.“ Wenn in Klötze ein Unwetter tobe, können sich die Menschen in die Häuser retten. „Dort war aber nichts mehr, nichts Vertrautes. Selbst der einem so vertraute Boden war nicht mehr da“, beschreibt Daniela Jährig.

Noch Wochen nach dem Beben haben sie in einem Zelt übernachtet aus Angst, die Erde könnte wieder zu beben beginnen. Riesige Zeltstädte entstanden. Beide berichten von inzwischen rund 450 Nachbeben über Stärke 4 auf der Richterskala. Erst kurz vor Weihnachten habe es ein erneutes Beben mit einer Stärke von über 5 gegeben.

Daniela Jährig und Steffen Schöley selbst kamen körperlich ungeschoren davor. Auch von ihren Mitarbeitern und Bekannten ist niemand ums Leben gekommen. Sie konnten erfahren, dass die Katastrophe die Menschen untereinander verbindet. Selbst die Armut der Menschen dort hatte einen kleinen Vorteil: „Die Dächer der Häuser sind oft aus Bambus und können schnell erneuert werden“, erklärt Daniela Jährig. „Auch bestehen die Häuser aus nur einem Raum. Deshalb kommen die Bewohner bei einem Beben schnell raus.“

Für die Altmärkerin zeigte sich ein „unerträgliches Gesamtbild“: „Notlazarette, aushängende Listen mit Namen der Toten, Notküchen. Ganze Stadtteile von Kathmandu waren leer, das war gespenstisch und erinnerte mich an Bilder aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Allerdings hat die Notversorgung auch sofort eingesetzt. Privatleute kochten in großen Kesseln Reis. Suchtrupps waren wochenlang damit beschäftigt, Menschen zu retten und Opfer zu bergen. Das Kommunikationssystem war zusammengebrochen. Für die Altmärker ein Problem: Wie sollten sie ihre Eltern informieren, dass es ihnen gut geht? Geholfen hat dabei anfangs die Facebook-Kommune.

Erleichtertes Aufatmen bei Daniela Jährig und Steffen Schöley als sie sahen, dass das Beben ihre Hilfsprojekte nicht zurückgeworfen hat. Selbst das von ihnen mitfinanzierte Schulgebäude blieb ohne Schaden. Es gab ein kurzes Aussetzen, dann ist der Unterricht wieder aufgenommen worden.

Um auf die psychischen Probleme der Kinder nach den Beben eingehen zu können, organisierten Schöley und Jährich Traumatrainings mit Experten für die Lehrer. „Die Kinder hatten einfach Angst und wollten nicht mehr von den Eltern weg“, beschreibt Steffen Schöley. „Zudem hat es Schwierigkeiten mit der Ernährung in den Familien gegeben. Deshalb haben wir die Schulspeisung intensiviert.“

Zerstört waren vom Beben allerdings viele der kleinen Satellitenschulen in der Projektregion. Notbaracken sind gebaut worden, damit die Kinder unterrichtet werden können.

Von den 1340 Familien in der Hilfsregion waren die Häuser von 1200 Familien betroffen. „Wir suchten deshalb nach Architekten, die sich die Bauweise der Häuser ansahen und beim Neuaufbau halfen“, berichtet Daniela Jährig. Das Militär half bei Transporten in die Berge.

Nach der Angst wegen der Erdbeben folgte die Angst durch eine besonders ausgeprägte Regenzeit nach großer Hitze. „Schwere Regenfälle gingen nieder, es gab Erdrutsche“, erzählt Daniela Jährig. „Das Wetter schickte von allem zuviel.“

Doch Jährig und Schöley haben auch Positives zu berichten. 733 Kinder werden im Rahmen ihres Projekts betreut. 16 Schulen sind mit im Programm. Aus organisatorischen Gründe haben sie damit eine Grenze erreicht. „Wenn wir alle 16 Schulen besuchen wollen, brauchen wir dafür 16 Tage: einen Tag Fußmarsch für jede“, begründet Steffen Schöley. Mehr Mitarbeiter werden in Nepal benötigt.

Sehr gut läuft die Aktion „Verschenke einen Bienenkorb“. Ein solcher Korb sichert einer Familie den Lebensunterhalt. 240 dieser Körbe sind vergeben worden. Vor wenigen Tagen erfolgte die Ernte des Honigs, die sehr ertragreich war.

Ausgebaut wird die Vergabe von Kleinkrediten. „Kleine Lädchen entstehen dadurch zum Beispiel, die die Versorgung der Menschen verbessern“, erläutert Steffen Schöley. Für ein Jahr aussetzen mussten die Nähkurse, weil ein Raum fehlte. Für das Frühjahr wird noch nach einer Alternative gesucht. Regelmäßig werden weiterhin Medizincamps organisiert, das nächste wird im Februar sein.

Neu ist eine mobile Krankenschwester. Sie kann von Patienten gerufen werden und entscheidet, ob ein Krankenhausbesuch erforderlich ist. Das Bildungsprojekt für Mädchen bleibt bestehen, wird aber für neue Paten von einem Fonds weitergeführt, um Jährig und Schöley organisatorisch zu entlasten.

Wer für eines der Projekte spenden oder Mitglied werden möchte, kann sich an LiScha Himalaya e. V. wenden, Hugo-Jentsch-Straße 10 in 03172 Guben, Telefon 03561/55 01 96; Mail: lischa@lischa-himalaya.org; Internet: www.lischa-himalaya.org