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Jugendarbeit Eine Frage der Entscheidung

Stefanie Gall hat eine Gruppe für Mädchen und Jungen beim Jugendverband „Die Falken“ in Magdeburg mit aufgebaut.

Von Martin Rieß 10.01.2016, 10:42

Magdeburg l Heranwachsende für etwas begeistern, das nicht mit dem Konsum von Unterhaltungselektronik zu tun hat? Geht das wirklich? Klar, meint Stefanie Gall. Sie hat in den vergangenen Jahren eine Kindergruppe beim unabhängigen Jugendverband SJD – Die Falken mit Sitz in der Bürgelstraße in Magdeburg ehrenamtlich mit einer Reihe weiterer Mitstreiter aufgebaut.

Dass die aus Burg im Jerichower Land stammende Frau eines Tages in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv werden würde, hat sie vor einigen Jahren selbst noch nicht geahnt. „Ich wollte in die Entwicklungszusammenarbeit, und um ein bisschen Erfahrungen im Ausland zu sammeln, wollte ich für ein Au-pair-Jahr in die USA.“ Über viele Jahre wurde die Entwicklungszusammenarbeit als Entwicklungshilfe bezeichnet. Um sich jedenfalls auf diese Arbeit vorzubereiten, hat die 26-Jährige bei dem Jugendverband eine Jugendleiterschulung belegt, bei dem es um pädagogische und rechtliche Grundlagen geht.

Die Themen des Jugendverbands haben sie so begeistert, dass sie das erste Mal 2006 in ein Ferienlager in Pepelow am Salzhaff bei Wismar gefahren ist. Im ersten Jahr war sie Helferin, in den Jahren danach Betreuerin einer Gruppe. „Aus diesen Gruppen stammen auch die Mädchen und Jungen, die in unserer Kindergruppe mitmachen“, erzählt sie. Nach dem Ferienlager kommen die, die Freude daran haben, einfach zu den wöchentlichen Treffen in die Einrichtung des Verbands in der Altstadt. Ein weiterer Teil der Kinder hat den Kontakt zu den Falken aus der Ernst-Wille-Gemeinschaftsschule in Ottersleben geknüpft, wo sich der Verband um die Schulsozialarbeit kümmert.

„Wichtig ist für das Funktionieren der Gruppe sicher, dass sie alle darauf Lust haben und nicht von irgendwelchen Erwachsenen dazu gedrängt werden“, erzählt die Ehrenamtlerin. Das Geheimnis, mit dem sie die jungen Menschen dazu begeistert, dabei zu bleiben und später vielleicht auch in die Jugendgruppe zu wechseln, sei simpel: „Manchmal machen auch wir Erwachsenen Vorschläge – letztlich können die Mädchen und Jungen aber über alles selbst mitbestimmen. Und sie bekommen nichts Fertiges vorgesetzt, sondern wirken an der Gestaltung und am Ergebnis mit.“ Das sei ein Gefühl, was viele in dem Maße nicht kennen. Und vielleicht ist das am Anfang nicht immer einfach, wenn aber die Kinder erkennen, dass in einer Gruppe das Miteinander, die Rücksichtnahme auf die anderen und vielleicht auch einmal das Zurückstecken ein Gewinn für alle sein können, funktioniere dieses Modell recht gut. Thematisch setzen sich die Kinder keine Grenzen: Es geht ums gemeinsame Kochen und Backen ebenso wie um Fragen zu den Flüchtlingen in Deutschland. „Und manchmal geht es dann doch um die Unterhaltungselektronik – als wir uns mal mit Minecraft beschäftigt haben“, berichtet Stefanie Gall.

Im Moment übrigens hat sie für die wöchentlichen Gruppenstunden kaum noch Zeit. Wenn sich die Gruppe trifft, hilft sie nämlich derzeit beim Jugend-Informationszentrum des Stadtjugendrings mit. Sie sagt: „Wenn wir aber an den Wochenenden mal was unternehmen, bin ich wieder mit dabei. Und sicher auch, wenn wir vom 13. bis 27. Juli ins Ferienlager auf die Insel Poel fahren.“

Studiert hat Stefanie Gall übrigens zunächst an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Und zwar im Fachbereich Angewandte Kindheitswissen-schaften am Hochschulstandort in der Altmark. Dort hat sie das Studium mit dem Bachelor abgeschlossen. „Wenn es da auch einen Masterstudiengang gäbe, hätte ich den gern absolviert“, sagt sie. Da das nicht der Fall ist, möchte sie sich wohl ab dem nächsten Semester von der Qualität einer anderen Hochschuleinrichtung im Norden Sachsen-Anhalts überzeugen und sich der Bildungswissenschaft, Schwerpunkt Integration und Inklusion, an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität widmen.

Aus dem Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit ist übrigens am Ende nichts geworden. „Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, umso klarer ist mir geworden, wie viele Fehler in diesem Bereich gemacht werden“, begründet Stefanie Gall ihre Entscheidung. Und sie sagt: „Und je mehr ich mir die Angebote für Kinder und Jugendliche in unserem Land angeschaut habe, umso deutlicher ist mir geworden, wie viel hier eigentlich zu tun ist.“