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Fragen zum BauMagdeburger Brücke gibt neue Rätsel auf

Nachdem Munitionskammern der Magdeburger Anna-Ebert-Brücke geleert wurden, ergeben sich Fragen zur früheren Gestalt.

07.07.2017, 23:01

Magdeburg l Den Ziegelsteinen, mit denen zwei Gewölbe der u. a. durch das Jahrhunderthochwasser von 2013 stark in Mitleidenschaft gezogenen Anna-Ebert-Brücke ausgemauert sind, sieht man ihr Alter von weit über 100 Jahren nicht an. In den vergangenen Monaten sind sie im Rahmen der Instandsetzung des denkmalgeschützten Übergangs über die Alte Elbe gesäubert und an einigen Stellen auch ausgebessert worden. Haiko Schepel ist Projektsteuerer bei der Magdeburger Stadtverwaltung und sagt: „Wir haben jetzt die erste Bauphase dieses Bauabschnitts zur Sicherung des gefährdeten Bauwerks abgeschlossen. Dieser Tage beginnt die zweite Bauphase.“

Neben den eigentlichen Bauarbeiten an der Brücke geht es auch darum, ehemalige Bestandteile der Brücke aus der Alten Elbe zu holen. Johannes Bach vom Ingenieurbüro Bach + Bach aus Pretzien berichtet: „In den Jahren 1971 und 1972 waren nach einem schweren Verkehrsunfall die ursprünglichen Balustraden, Postamente und Obelisken komplett von der Brücke entfernt worden.“ Rund 300 Tonnen des Materials sind in der Alten Elbe gelandet. Die Stücke werden nach und nach geborgen. Und unter einem Schutthaufen haben die Arbeiter dabei einen fünf Tonnen schweren Wappenstein – sogenannter Pilaster – gefunden. „Dieser hatte mit der Vorderseite im Kies gelegen, was ein großes Glück ist.“ Das dürfte fast noch untertrieben sein.

Denn die Steinmetzarbeit sieht aus wie neu. Fast ein halbes Jahrhundert war der Wappenstein vor den Umwelteinflüssen geschützt. Denn ein Blick auf den Sandstein zeigt, wie sehr gerade die letzten Jahrzehnte dem Material zugesetzt haben. Die zahlreichen noch an der Brücke befindlichen Wappen und die Köpfe von Göttern und Meerjungfrauen sind inzwischen an vielen Stellen kaum noch zu erkennen. Haiko Schepel erläutert: „Selbst wenn die Luft in Magdeburg im 19. Jahrhundert sicher auch nicht sauber war und es damals schon sauren Regen gab: In Kombination mit der Salzlösung, die im Winter versprüht wird und die durch den undichten Oberbau der Brücke bis in die Pfeiler und Gewölbe sickert und die auch als Aerosol auf die Oberfläche der Steine gelangt ist, hat sich die Verwitterung des Steins leider deutlich beschleunigt.“

Dennoch: Ziel ist es, das Bauwerk im alten Glanz wiedererstrahlen zu lassen. Zunächst von den Gewölben bis knapp unterhalb der Fahrbahn. Und nach 2020, wenn die Strombrückenverlängerung stehen soll, auch die Oberseite. Dann könnten auch Balustraden, Postamente und Obelisken in alter Pracht erstrahlen. Die Magdeburger Diplom-Restauratorin Corinna Grimm-Remus begleitet die Sanierung der Brücke und sagt: „Die Arbeit an einem solchen Bauwerk ist sehr reizvoll. Wo es möglich ist, kommen – wie im Falle des Wappensteins mit dem Tierkreiszeichen der Fische – die alten Materialien wieder zum Einsatz. Immer wenn möglich, werden verwitterte Steine erhalten und restauriert.“ Und Steine, die komplett zerstört sind, müssen durch neue ersetzt werden. Hilfreich sind dann auch beschädigte Bruchstücke aus dem Fluss, an denen Details zum Beispiel zu Abmessungen oder zur Oberfläche zu erkennen sind. Und es hat im Jahr 1995 bereits mit Tauchern eine Sicherung von Material gegeben. Doch davon sind nur wenige Unterlagen vorhanden, und auch die Fundstücke selbst sind derzeit unauffindbar. Bekannt ist nur, dass dabei eine Löwenskulptur, Teile der Obelisken sowie ein weiterer Wappenstein geborgen werden konnten.

Unter anderem geht es aber auch um ein Magdeburg-Wappen, das sich auf der Nordseite der Brücke befindet, dass inzwischen aber nicht mehr zu erkennen ist. Corinna Grimm-Remus: „Leider gibt es gerade von dieser Seite nur wenige Fotos.“ Die Hoffnung von Johannes Bach: „Vielleicht gibt es ja noch Volksstimme-Leser, die detaillierte Aufnahmen von der Brücke haben.“ Gesucht werden auch Zeitzeugen - siehe Infokasten.

Unterhalb der Brücke liegen Sandsteine, die bis zu mehreren Tonnen wiegen. Hagen Rühlmann ist Restaurator und Steinmetzmeister von der Bauhütte Naumburg. Er erläutert: „Bei der Rekonstruktion geht es um Millimeterarbeit.“ Zwar konnte er aus den Plänen und Bauzeichnungen die Daten entnehmen – doch bei einem über 100 Jahre alten Bauwerk gibt es dann eben doch immer wieder kleine Abweichungen. Deshalb muss er immer wieder neu messen, die Daten an die in der Werkstatt tätigen Kollegen im Süden des Landes übermitteln, vor Ort mögliche Nacharbeiten vornehmen. Er sagt: Wichtig war mir auch, dass alle aus dem Betrieb einmal hier gewesen sind, damit sie wissen, worum es geht.“

Was die Bauphasen angeht: Ein Fund von Sprengstoff hatte vor Monaten den Zeitplan der Brückensanierer vollkommen durcheinandergebracht. Eigentlich sollten die Arbeiten an den beiden Gewölben bereits Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen sein. Die Folgearbeiten fielen nun in die Winterperiode. Hinzu kam ein Frühjahrshochwasser, das die Arbeiten ebenfalls stark beeinträchtigte. Auf der anderen Seite sehen sich die Akteure jetzt auf der sicheren Seite. Johannes Bach erläutert: „Wir haben die ersten beiden Gewölbe, an denen die Arbeiten nun fast vollständig abgeschlossen sind, sehr genau untersuchen können.“ Diese waren ohnehin so schwer geschädigt, dass sie als Erstes saniert werden mussten. „Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden natürlich in die weiteren Arbeiten einfließen“, berichtet der promovierte Ingenieur weiter. Und er meint damit die in der zweiten Bauphase anstehende Bearbeitung der verbleibenden neun Bögen mit den dazugehörigen Pfeilern und Widerlagern.

Dabei geht es beispielsweise um die Zementsuspension, die speziell für die Anna-Ebert-Brücke zusammengestellt wurde. Große Mengen sind durch Löcher in die Pfeiler und in die Gewölbe zum Verfüllen von Hohlräumen injiziert worden. In den ersten beiden Gewölbebögen der ersten Bauphase sind die Löcher verschlossen. Unterhalb eines der beiden Gewölbe gibt es nur noch zwei Ausläufe für Kondenswasser sowie zwei Einfluglöcher für Fledermäuse, die hier eine neue Heimat finden sollen. Johannes Bach berichtet: „Außerdem haben wir horizontale Anker eingebracht, die das Gewölbe quer zur darüber liegenden Fahrbahn stabilisieren.“

In den kommenden Wochen liegt für die zu großen Teilen aus Mitteln zum Hochwasserschutz finanzierte Brückensanierung die Untersuchung der Gründung auf der Westseite an. Auf dem Plan stehen auch die Suche nach Kampfmitteln und der Bau einer Spundwand. Außerdem widmen sich die Arbeiter einem Pfeiler, durch den sich ein großer Spalt zieht. Hier war vermutlich im Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe eine Bombe explodiert, hatte die Brücke angehoben und den Pfeiler leicht verdreht. „Von der Statik her ist das kein Problem“, meint Johannes Bach. Doch bei der Sanierung muss dies beispielsweise bei der Bemessung neuer Sandsteine beachtet werden.

Weitere Bilder von den Arbeiten an der Brücke unter www.volksstimme.de/magdeburg im Internet.