1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Big Brother im Herrenkrug

Käferplage Big Brother im Herrenkrug

Kampf gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfers: Im Herrenkrug wurden Lockfallen verteilt. Schlechte Nachrichten gibt es aus Rothensee.

Von Jana Heute 02.08.2016, 01:01

Magdeburg l Im Kernbereich des Herrenkrugparks mit seinem historischen Baumbestand ist zwar (zum Glück) noch kein Exemplar des gefräßigen Käfers aus Fernost gefunden worden. Das bestätigte am Montag Dr. Ursel Sperling von der zuständigen Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG). Doch seitdem man nur rund 750 Meter weiter nördlich ein Exemplar in einem Ahorn entdeckt hat, schrillen die Alarmglocken. Die Quarantänezone ist bis in die östliche Gemeinde Biederitz und innerstädtisch auf den kompletten Herrenkrugpark (bis zur Bahnlinie samt Rennwiesen und Sportpark) ausgedehnt worden. Deshalb hängen die speziellen Fallen neuerdings auch in den Kronen herrlicher alter Laubbäume in Sichtweite vom Herrenkrug-Parkhotel, am Elberadweg, aber auch in Rothensee im Bereich Zollamt.

Die Pheromonfallen, bestückt mit einem Mix aus Duftstoffen verschiedener Hölzer, haben es vor allem auf die unbefruchteten Käferweibchen abgesehen. Es geht ums Einfangen der für die Laubbäume so gefährlichen Käfer, aber auch um die Überwachungsdichte. Nach dem Motto, je mehr man über die Bewegung seines Feindes, des Käfers, weiß, umso gezielter lassen sich Gegenmaßnahmen ergreifen. Big Brother in den Kronen unserer Laubbäume, wenn man so will. 200 Fallen wurden in den letzten Wochen in der gesamten Quarantänezone verteilt. Aufgebaut nach einem einfachen Prinzip: Es ist schwarz angemalte Pappe mit glatter Innenfläche. Unten hängt ein weißer Plastikbehälter, gefüllt mit gesättigter Kochsalzlösung. Wird ein Käfer angelockt und geht in die Falle, rutscht er an der glatten Innenwand nach unten in den Behälter mit der Kochsalzlösung. Das war es für den Käfer. Für den Menschen ist das Ganze völlig ungefährlich.

Einige der Fallen sollen aber schon von Bäumen geholt und mutwillig zerstört worden sein, berichtet Ursel Sperling. „Das ist für uns unverständlich. Die Fallen sind so wichtig im Kampf gegen den Käfer. Wir brauchen sie und bitten daher noch einmal eindringlich, die Fallen einfach hängen zu lassen“, betont Ursel Sperling.

Wie bedrohlich die Käferplage nach wie vor ist, bestätigt ein weiterer Fund. Im Bereich der Kita Rothensee ist ein zweiter befallener Baum entdeckt und am vergangenen Mittwoch gefällt worden. Damit müssen im 100-Meter-Radius nun alle weiteren potenziellen Wirtsbäume unter die Säge. „Die betroffenen Anwohner sind bereits informiert“, so Dr. Ursel Sperling. Die Fällung der Laubbäume wird von der Behörde organisiert und vom Land bezahlt. Die betroffenen Grundstücksbesitzer müssen die Fällung dulden und dürfen das Holz auch nicht – etwa für den heimischen Kamin – behalten. Das Holz wird gehäckselt, abtransportiert und im Biopelletwerk verbrannt.

Trotz des neuerlichen Käferfundes in Rothensee gibt es vorsichtig optimistische Töne – zumindest, was eine mögliche flächenmäßige Ausbreitung des Käfers betrifft. „Wenn man sich die Karte mit den Funden genauer anschaut, stellt man fest, wo die Häufungen sind. Rund um die Steinkopfinsel, den Wiesenpark und leider auch in der Ortslage Rothensee“, so Ursel Sperling.

Doch weder im denkmalgeschützten Herrenkrugpark noch im Abschnitt bis Biederitz ist der Käfer bisher ausgemacht worden – so weit die gute Nachricht. Deshalb sollte die Ausweitung der Quarantänezone im Juni auch nicht allzu sehr beunruhigen, findet der städtische Beigeordnete Holger Platz. Es gehe hier in erster Linie darum, dass möglicherweise doch befallenes Holz in der Quarantänezone gesammelt und vernichtet werde.

Die Frage, ob im Kampf gegen den ALB im äußersten Notfall nicht auch Insektizide zum Einsatz kommen können, ist aber nach wie vor nicht klar beantwortet. Die Stadt hatte, auch auf Betreiben des Stadtrats, im Juli formell einen Antrag bei der Landesanstalt gestellt. Eine offizielle Antwort liege noch nicht vor, so Platz auf Nachfrage. Er habe aber den Eindruck, dass die Landesanstalt selbst „intensiv nach Lösungen“ suche. Das bisher z. B. in den USA verwendete Mittel Imidacloprid gilt zwar als durchaus wirkungsvoll im Kampf gegen derlei Schädlinge, kann aber auch ungewollt Vögel und Bienenvölker gefährden und gar töten. „Wir müssen hier vorsichtig agieren und können nicht mitten in Rothensee mit einer Giftspritze an Bäumen herumexperimentieren“, sagt Platz. Der Einsatz gegen den ALB werde ein langer Kampf werden, der „Jahre dauern“ wird, so ahnt er.

Für einen Kahlschlag an Laubbäumen hat er jetzt schon gesorgt. Es besteht dringender Handlungsbedarf, das weiß auch das Rathaus. Seit 2014 sind wegen des Käfers schon weit mehr als 4000 Bäume gefällt worden. „Wir werden Bäume nachpflanzen, die keine potenziellen Wirtspflanzen sind“, kündigte Platz am Montag an. Dafür sollen ab 2017 extra Gelder in den städtischen Haushalt eingestellt werden. Von 400 000 Euro ist zunächst die Rede. Bei der Planung der Neupflanzungen sollen die Bürger von Rothensee eingebunden werden.