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Laubholzbockkäfer Giftspritze statt Säge

Einer weiteren Ausbreitung des Asiatischen Laubholzbockkäfers in Magdeburg könnte eventuell doch anders als mit der Säge vorgebeugt werden.

Von Katja Tessnow 07.06.2016, 14:30

Magdeburg l Bereits Mitte März haben Wigbert Schwenke (CDU) und Klaus Kutschmann (Bund für Magdeburg) im Namen der Stadtratsfraktion CDU/FDP/BfM und zugleich vieler um das Grün in der Stadt besorgter Magdeburger einen Hilferuf an das Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit ausgesandt. „Es steht zu befürchten, dass sich der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB) trotz der zwischenzeitlich eingeleiteten, gesetzlich vorgeschriebenen Bekämpfungsmaßnahmen weiter verbreiten und die wertvollen Bäume im denkmalgeschützten Herrenkrugpark und auch im ebenso denkmalgeschützten Vogelgesangpark in Magdeburg befallen wird“, schreiben die Räte und nennen diese Aussicht „katastrophal“.

Die bisherigen Maßnahmen haben aus Sicht der Absender nicht den erhofften und erwarteten Erfolg gebracht. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Suche nach dem Käfer, die Fällung besiedelter Bäume und derer im Umfeld sowie die Ausweisung der Rothenseer Quarantänezone (45 Quadratkilometer), aus der keinerlei Grünschnitt ausgeführt werden darf.

Mehr als 4000 Bäume sind dem Käfer bzw. den präventiv zu seiner Eindämmung veranlassten Fällungen bereits zum Opfer gefallen. Erst Ende April informierten zuständige Behörden von Stadt und Land von sechs neuen Fundstellen, weiter nötigen Fällungen und der Ausweitung der Quarantänefrist bis mindestens 2020.

„Ich teile uneingeschränkt Ihre Besorgnis“, reagiert Dr. Jens-Georg Unger, Leiter des Pflanzengesundheitsinstitutes mit Sitz in Braunschweig, verständnisvoll auf die wachsende Sorge in Magdeburg und auf den Wunsch nach präventiven Maßnahmen über die Ausweisung von Quarantänezonen hinaus. Die Stadträte hatten in ihrem Brief den Einsatz von Insektiziden „in einem zeitlich und räumlich begrenzten Umfang vor allem als vorbeugende Maßnahme“ hinterfragt und auf positive Ergebnisse aus den USA verwiesen.

Unger bestätigt diese: „Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass ein Insektizideinsatz die Chance für eine erfolgreiche Ausrottung von ALB deutlich erhöht.“ Insektizide würden hier aber nicht einfach über die Bäume gespritzt, sondern als Stamm- oder Boden­injektion verabreicht. Heißt: Von ALB-Befall bedrohte Bäume erhalten quasi eine Giftspritze, die sich über den Wassertransport in alle saftführenden Bereiche des Baumes verteilt – unschädlich für den Baum, aber vernichtend für den Käfer bzw. dessen Larven.

Der in den USA am häufigsten zum Einsatz kommende Wirkstoff heißt Imidacloprid und ist auch in Deutschland für Spritzanwendungen im Zierpflanzenbau zugelassen. Allerdings wirkt das Gift ungewollt auch schädlich bis tödlich auf Vögel und Bienenvölker, weshalb sein Einsatz laut Unger aktuell kritisch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hinterfragt werde. Denkbar, so Unger, wäre sein Einsatz derzeit nur auf Basis des Artikels 53 der EU-Verordnung, also im Falle einer „Notfallsituation im Pflanzenschutz“.

Immerhin: Spitzt sich die Situation weiter zu und sind Anlagen wie der Herrenkrugpark akut von Fällungen bedroht, schließt der Experte den alternativen Einsatz der Giftspritze nicht aus. Erforderlich wäre dazu eine Genehmigung aus dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.