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Erntedank "Mit welchem Maß messen wir?"

Erntedank wurde am Sonntag in der Osterburger Nicolaikirche gefeiert.

Von Astrid Mathis 05.10.2015, 20:00

Osterburg l Der Erntedankgottesdienst am Sonntag in St. Nicolai hatte es in sich. Erstmals erklang die restaurierte Buchholzorgel seit ihrer Rückkehr am Freitag. Abschied und Willkommen gab es außerdem beim evangelischen Kindergarten Osterburg.

„Wissen Sie, was das ist?“ fragte Pfarrerin Claudia Kuhn die Gemeinde und hielt einen Scheffel in die Höhe. Das alte Maß aus dem Jahr 1867 stammt von Familie Fettien aus Grävenitz und symbolisierte das Thema der Predigt. „Mit welchem Maß messen wir?“ so die Pfarrerin, „Wann sagen wir: Das Maß ist voll?“ In einer Redewendung heißt es auf das alte Kornmaß bezogen: Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Denn der Scheffel ist groß und schwer. Wie oft höre sie: Das Maß ist voll.

Im folgenden erzählte Claudia Kuhn eine Geschichte, die einer Frau in Deutschland widerfahren ist. Als diese sich zu ihrer Suppe im Kaufhausrestaurant eine Serviette holt, sitzt ein Afrikaner am Tisch und löffelt. Bezahlt ist bezahlt. So löffeln sie beide aus einem Teller, und der Afrikaner spendiert sogar noch einen Kaffee. Als die Frau losgehen und nach ihrer Handtasche unter dem Tisch greifen will, ist sie weg. Wütend lässt sie in ihren Gedanken nur einen Schluss zu: Der Afrikaner hat sie genommen? Da fällt ihr Blick auf den Nachbartisch, auf dem ihre Suppe nicht mehr dampft, mit der hängenden Tasche darunter. „Wir messen unser Leben, wir messen die Flüchtlinge“, zählt die Pfarrerin auf, „die Zugereisten, die seit 70 Jahren hier leben.“ Was sagt Gott dazu? Worte aus alter Zeit geben Antwort: „Nehmt einander an zum Lobe Gottes. Brich’ mit Hungrigen dein Brot.“

In diesem Sinne wurden die Erntegaben neben dem Altar mit der Heilpädagogischen Einrichtung Königsmark und den zwei syrischen Familien geteilt, die seit kurzem in Osterburg wohnen.

Den Abschied von Annette Fricke, die zehn Jahre im evangelischen Kindergarten in Osterburg tätig war und jetzt nach Arneburg gewechselt ist, begleitete der Gesang ihrer Schützlinge. Für die lieben Worte und Geschenke von Pfarrerin Claudia Kuhn, aber auch der Eltern und Kinder, möchte sich die beliebte Erzieherin auf diesem Weg bedanken. Als neue Leiterin sprach Claudia Kuhn Anne Schlase aus Stendal den Segen. Möge beiden eine glückliche Zukunft zum Wohle der Kinder bevorstehen, schloss sie ihre Rede ab.

Musikalisch umrahmten Kantor Friedemann Lessing an der Orgel und mit acht weiteren Nicolaibläsern sowie der 20-köpfige Chor den Gottesdienst. „Erst die Hälfte der Orgel ist fertig“, informierte Friedemann Lessing. „Das erste Manual ist spielbar, das Pedal auch. Es gibt ein Bassregister und fast alle Hauptregister sind fertig. Neu ist der Spieltisch, der so aussieht wie bei Buchholz 1825.“ Vorerst passiere erst einmal gar nichts. Bis zum Frühjahr hofft der Kantor auf weitere Fördermittel und Spenden, damit der letzte Bauabschnitt abgeschlossen werden kann.

Nach dem Gottesdienst teilte die Gemeinde Kuchen, Schnittchen, Würstchen, Gemüse und Obst und saß noch gemütlich beisammen.