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Gericht Patient mit Urinschlauch erdrosselt

Ein 49-jähriger Stendaler hat seinen Zimmernachbarn in der geschlossenen Abteilung in Uchtspringe getötet.

Von Thomas Pusch 17.10.2016, 17:47

Stendal l Am Landgericht Stendal hat der Prozess gegen Andreas S. begonnen. Dem 49-Jährigen wird vorgeworfen, einen Zimmernachbarn auf einer geschlossenen Abteilung des Fachkrankenhauses Uchtspringe getötet zu haben.

Mit gesenktem Kopf sitzt Andreas S. im Saal 121 des Stendaler Landgerichtes. Neben ihm seine Anwältin Heidrun Ahlfeld, auf der anderen Seite eine Dolmetscherin. Ihm wird vorgeworfen, einen Zimmernachbarn in einer geschlossenen Abteilung des Fachkrankenhauses Uchtspringe umgebracht zu haben.

Ob er sich daran erinnern kann, was am 14. Mai zwischen 9.30 und 10.30 Uhr in Zimmer 65 der Station 5a, einem geschlossenen Bereich, passierte, ist schwer einzuschätzen. Seine Anwältin meldet sich gleich zu Prozessbeginn zu Wort, weist darauf hin, dass sie den Eindruck hat, dass ihr Mandat nicht im Hier und Jetzt lebt. Der Vorsitzende Richter Ulrich Galler sichert zu, wenn es S. schlechter gehe, eine Pause zu machen.

Staatsanwältin Ramona Schlüter verliest die Anklageschrift. S. wird vorgeworfen, seinem Bettnachbarn zunächst einen Schlag ins Gesicht versetzt zu haben, ihm dann einen gelegten Katheter entfernt und ihn schließlich mit dem Urinschlauch stranguliert zu haben. Durch seine schizophrene Psychose sei S. eine Gefahr für die Allgemeinheit. Der Prozess läuft darauf hinaus, ob er in den Maßregelvollzug kommt oder nicht.

„Wollen Sie sich zu dem Vorwurf äußern“, fragt Galler. Kopfschütteln. „Wissen Sie, dass Sie mit Herrn J. in einem Patientenzimmer waren?“ Wieder ein Kopfschütteln. „Mein Mandant will sich schon einlassen, er hört Stimmen, versteht aber nichts“, erläutert Ahlfeld.

S.s Betreuerin, seine Halbschwester Swetlana, bringt mit ihrer Aussage etwas Licht ins Dunkle der Biographie des Angeklagten. Seit 1997 wohnt die aus Kasachstan stammende Familie in Stendal. „Die Schule hat er ganz gut abgeschlossen, dann als Zimmermann gearbeitet“, schildert sie. Er sei ihr nie sonderbar vorgekommen, allerdings sehr ruhig gewesen, habe nur einen einzigen Freund gehabt. Nein, eine Freundin habe er nicht gehabt.

Erst in Deutschland sei ihr Halbbruder auffällig geworden. „Beim Sprachtest kam heraus, dass etwas mit ihm nicht stimmt“, sagt sie. S. hört regungslos zu, den Kopf immer noch gesenkt. Der Vater habe die Probleme des Sohnes nicht eingestehen wollen, doch sie seien dann nicht mehr zu ignorieren gewesen. „Er wurde mit Tabletten ruhiggestellt, pendelte ständig zwischen Behandlungen in Uchtspringe und Jerichow und Zeiten zu Hause“, zählt sie auf. Dort kümmerte er sich im Garten um die Kaninchen. Im vergangenen Jahr hat er versucht, sich mit Tabletten umzubringen, ist rechtzeitig gefunden worden.

Im Mai war er nach Uchtspringe gekommen, weil er dem Vater mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen hatte. Krankenpflegehelfer Thorsten L. kennt S. seit etwa 16 Jahren, ist seit 18 Jahren auf der Station tätig. Am Tattag hatte er Dienst. Das Opfer sei wegen einer Infusionstherapie an sein Bett fixiert gewesen. L. war mit der Aufnahme eines neuen Patienten beschäftigt, als eine Schwester in den Raum stürzte. „Er hat gesagt: ,Ich habe ihn getötet‘“, bat sie ihn, mit ins Patientenzimmer zu kommen. Dort lag J. mit blau angelaufenem Gesicht, wenig später stellte eine Ärztin den Tod fest.

Für den Prozess sind noch fünf Fortsetzungstermine anberaumt.