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Iltis Der vergessene Rattenfänger

Nahezu unbemerkt verschwindet der Iltis von der Bildfläche. Warum das so ist, erforscht die Biologin Antje Weber aus Jeggau.

Von Antje Mewes 05.02.2017, 02:00

Jeggau l Der kleine flinke Kobold mit dem niedlichen Gesicht ist irgendwie jedem bekannt, denn er geistert in unserem Sprachgebrauch herum. Das umgangssprachliche Ratzen für Schlafen ist davon abgeleitet, dass der Iltis, im Volksmund auch Ratz genannt, ziemlich laut schnarcht. Oder „das stinkt wie Iltis“, rührt daher, dass der Marder mit dem lateinischen Namen Mustela putorius so sein ganz eigenes „Parfüm“ hat. Er ist die Wildform eines Haustieres und einstigen Jagdhelfers, des Frettchens. Als intelligenter Beutejäger, zieht es ihn in die Nähe von Siedlungen, wo er erfolgreich Ratten nachstellt. Und obwohl die nachtaktiven Iltisse einst zu den häufigsten einheimischen Mardern gehörten, ist ihr Bestand bedroht. In einigen Teilen Sachsen-Anhalts kommt er bereits nicht mehr vor. In anderen geht die Zahl konstant zurück. Die Aufgabe einer Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie besteht deshalb darin, die Population zu überwachen, die Qualität der Lebensräume zu beurteilen und Beeinträchtigungen festzustellen.

Damit beschäftigt sich in einer Langzeitstudie die Diplom-Biologin Antje Weber. Für ihre Dissertation hat sie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Forstzoologie der Technischen Universität Dresden, umfangreiches Datenmaterial über die Population des Iltisses in Sachsen-Anhalt zusammengetragen und ausgewertet – mit besorgniserregenden Ergebnissen. Die Verbreitung ist mindestens seit 2005 lückenhaft und rückläufig, insbesondere in strukturlosen Agrarbereichen. Nach einem Hoch von 59 sicher bestätigten Iltismeldungen im Jahr 2012 sind 2016 gerade einmal 17 Tiere gemeldet worden, 2015 waren es nur 15 im gesamten Bundesland. „Inzwischen ist jedes einzelne Individuum von hoher Bedeutung“, sagt sie. Ein Erfolg dahingehend ist bereits erreicht. Seit 2014 und noch bis 2019 ist der Abschuss des Iltisses verboten. In Lebendfallen gefangene Tiere sind unverzüglich freizulassen. Der Fang ist zur Datenerfassung zu dokumentieren.

Die Biologin hat Jäger und Naturschützer gebeten, Sichtungen, Totfunde, in Fallen gefangene und erlegte Tiere zu melden. Zudem gab es im Drömling eine Langzeitauswertung einer Fotofalle die von 2008 bis 2014 18  090 Fotos und 236 Videos erstellt hat. 45 Mal tappte ein Iltis herein, Spitzenreiter waren Rehe mit 891 Schnappschüssen auch 154 Menschen sind festgehalten.

Zum Monitoring gehörten die Besenderung und Markierung von Tieren, um den Aktionsradius zu bestimmen, sowie die Entnahme genetischen Materials. Besonders erschrocken war die Forscherin über die pathologischen Befunde. Sie ergaben sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Tieren eine eingeschränkte Reproduktionsfähigkeit. Es gibt mehr ältere und weniger jüngere Tiere. „Eigentlich müsste es umgekehrt sein“, erklärt Antje Weber. Es wurde festgestellt, dass einige Tiere fettleibig waren, es gab Veränderungen in der Knochensubstanz, Organschrumpfungen und -schwellungen sowie Entzündungsprozesse. Zurückzuführen sind diese Befunde auf Toxine in der Umwelt, auf die der Iltis besonders empfindlich reagiert.

In strukturarmen Gebieten, wie beispielsweise der Börde, zieht es die Iltisse an die bepflanzten Autobahn- und Straßenböschungen. Dort könnten sie mit den Giften in Berührung gekommen sein. Wo es keine Möglichkeiten gibt, sich zu verstecken, hält sich der Iltis nicht auf. Zudem wird es für die als Einzelgänger lebenden Tiere zunehmend schwieriger, zur Paarung zu einander zu finden.

Deshalb empfiehlt die Biologin für diese Regionen eine artspezifische Biotopverbundplanung mit dem Ziel, die Tiere aus diesen Ersatzlebensräumen in die Flächen abzuleiten. Weniger Agrochemie ist unter anderem eine weitere Aufgabe zum Erhalt der Art und ein Monitoring der Schadstoffklassen. Die Feldmausbekämpfung mit Gift stellt eine weitere hohe Belastung dar.

In der strukturreicheren Altmark gibt es ebenfalls Bereiche, in denen der Iltis sehr selten ist. Denn auch hier gibt es Lebensraumverluste. Nicht nur für ihn, sondern für seine Beutetiere, insbesondere Amphibien, Hamster und Kaninchen. Zudem hat der Ratz zunehmende Konkurrenz von Neozoen, wie Mink oder Waschbär. Abwechslungsreiche Vegetation und Feuchtbiotope sind ideal für den Iltis.