Kaffeetasse Leben mit dem Tod

Volksstimme-Serie "Auf eine Tasse Kaffee mit" Wolfgang Müller, Bestatter aus Salzwedel. Ein Beruf mit vielen Arbeitsfeldern.

Von Annemarie Fehse 29.11.2016, 20:00

Salzwedel l Schwarz gekleidet und mit fast ausdrucksloser Miene kommt er in den Empfangsraum seiner Firma. „Guten Tag, mein Name ist Wolfgang Müller, kommen Sie bitte mit in mein Büro“, sagt der Bestatter. Dort angekommen nimmt er Platz und lässt die strenge Hülle fallen. „Das ist mein Dienstgesicht“, erklärt Müller nun. Denn in den fast 40 Jahren, in denen er diesen Beruf schon ausübt, hat er gelernt, mit Trauer und vor allem mit dem Tod umzugehen.

„Das Wichtigste ist, dass man mit dem Herzen dabei ist“, sagt der Salzwedeler. Offen, ehrlich und einfühlsam sollte ein Bestatter sein, findet er, denn dieser Beruf bringt viele Arbeitsfelder mit sich: „Ich bin Psychologe, Kraftfahrer, Dekorateur, Redner“, zählt Wolfgang Müller auf.

Kraftfahrer – das wollte er eigentlich machen, bevor er zum Beruf des Bestatters kam. „Ich hatte mich als Fahrer beim Dienstleistungskombinat beworben und dachte, ich muss irgendwelche Sachen umherfahren“, erinnert sich Müller. Dass dazu auch tote Menschen gehören, konnte er nicht ahnen. „Aber das war kein Problem, denn ich habe Situationen schon immer auf mich zukommen lassen. Auch wenn ich anfangs gemischte Gefühle hatte – ich habe schnell gemerkt, dass es gar nicht schlimm ist.“

Seit dem 1. Juli 1990 ist Wolfgang Müller selbstständig mit einem Bestattungshaus. Bis heute hat der Vater zweier Söhne, die im Rettungsdienst arbeiten, schon einiges erlebt. „Am schlimmsten ist es für mich, wenn Kinder oder junge Menschen betroffen sind“, gibt Müller zu. „Wer sagt, es geht ihm nicht nahe, der lügt!“ Und das werde sich niemals ändern.

Wolfgang Müller erinnert sich: „Ich habe mal eine Beerdigung eines Kindes begleitet, bei der der Sarg bemalt wurde. Das war sehr beeindruckend. Da schäme ich mich auch nicht, wenn mir mal eine Träne kommt.“ Aber das versuche er weitestgehend zu vermeiden. „Die Menschen verlassen sich ja auf mich und ich bin deren Ansprechpartner. Das muss professionell ablaufen, aber nicht gefühllos.“

Auch wenn der Tod für die meisten Menschen und vor allem für seine Kunden etwas Schreckliches ist, kann der ehemalige Feuerwehrmann noch etwas Positives daraus ziehen: „Der Lohn der Arbeit ist, wenn die Menschen nach der Beerdigung ,Danke‘ sagen.“ Es gehe vor allem darum, einen würdevollen und individuellen Abschied des geliebten Menschen zu gestalten und den Angehörigen so viel Last wie möglich abzunehmen. Dafür nimmt Wolfgang Müller auch mal weitere Strecken auf sich. „Meine längste Fahrt war nach Sizilien. Der Mann ist in der Altmark verstorben, kam aber von der Insel“, berichtet der Bestatter. Auch in Österreich, Tschechien und natürlich ganz Deutschland sei er schon gewesen. „Das meine ich mit vielen Arbeitsfeldern in einem Beruf“, sagt Müller und lächelt – ein merkwürdiger Anblick im Büro eines Bestattungsunternehmens, wo sonst viel Leid und Kummer zusammenfließt. „Sprüche musste ich mir schon viele anhören“, gesteht Müller. Da kämen Sätze wie „Du kannst ja auch lachen“ oder „Der Sensenmann ist da“. „Darüber sehe ich einfach hinweg.“

Privat ist Wolfgang Müller viel beschäftigt. „Vor Kurzem habe ich die Flohmärkte für mich entdeckt“, erzählt er. „Das bedeutet pure Entspannung für mich.“ Einen geselligen Ausgleich bildet die Salzwedeler Schützengilde.

Wenn sich Müller etwas wünschen könnte, dann wäre es, immer gesund zu bleiben, um seinen Hobbys nachgehen zu können. Denn das ist in einem Beruf, der sich hauptsächlich mit der Vergänglichkeit beschäftigt, wichtig.