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StorchenschutzSignale aus den Pyrenäen

Ein schlechtes Storchenjahr, das mit einem spannenden Projekt zu Ende ging - dieses Fazit zieht Thomas Koberstein für die Region Salzwedel.

Von Uta Elste 19.10.2016, 03:00

Salzwedel l Wo ist Tootless? Irgendwo in den Pyrenäen? Von dort kam die letzte Meldung des Datenloggers, den der Jungstorch auf dem Rücken trägt. Thomas Koberstein, Storchenbeauftragter für den nördlichen Altmarkkreis, verfolgt die Flugroute des Vogels im Internet, wartet jetzt bereits mehr als eine Woche auf die nächste Meldung.

Tootless schlüpfte im Kricheldorfer Storchenhorst, als einziger Nachwuchs des Elternpaares. Dass er überhaupt von Dr. Michael Kaatz vom Loburger Storchenhof mit einem Sender ausgestattet wurde, liegt an seiner späten Geburt. „Am 5. September flog Tootless los in Richtung Süden. Im Allgemeinen vergehen zwischen Geburt und dem Fliegenlernen etwa 60 Tage, sodass er möglicherweise Ende Juni geboren wurde“, spekuliert Thomas Koberstein. Dass der Nachwuchs so spät aus dem Ei kroch, habe daran gelegen, dass es bei den Alttieren, die den Kricheldorfer Horst besetzten, noch einen Partnerwechsel gab, fügt Thomas Koberstein hinzu.

Störche führen Saisonehen, erläutert er. Neues Jahr – neuer Partner, so das allgemeine Verhalten. Es gebe allerdings auch Vögel, die sich jedes Jahr wieder zusammenfinden, beispielsweise das Storchenpaar in Tylsen. Vier Jungen seien dort 2016 groß gezogen worden.

Spät geschlüpfte Störche sind für den Ornithologen Michael Kaatz interessant – vor allem, weil sie oft ungewöhnliche Flugrouten einschlagen. 2014 erhielten deshalb schon zwei Jungstörche aus dem Altmarkkreis Salzwedel, Adam und Helene, Sender. Die ebenfalls im Kricheldorfer Horst geschlüpfte Helene kam allerdings in Bulgarien bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ob Tootless und Helene verwandt sind, könne man nicht feststellen, da die Eltern der beiden keine Ringe trugen.

Adam, ein Jungstorch aus Hoyersburg, zog mit dem kleinen Sender huckepack über die Türkei und Syrien bis nach Tansania. Im März 2015 sei er dann bei einem Aufenthalt auf der Halbinsel Sinai wohl durch verunreinigtes Wasser verendet, erzählt Thomas Koberstein.

Tootless flog zunächst in Richtung Süden, orientierte sich dabei an den Autobahnen 14, 9 und 73, um dann auf der Höhe von Starnberg rechts abzubiegen. Vor den Alpen zog er weiter nach Frankreich, passierte den Rheinfall von Schaffhausen und flog weiter nach Südfrankreich. „Landschaftlich und kulturhistorisch eine Traumroute“, stellt Thomas Koberstein fest, wenn er via Movebank der blauen Linie folgt, die Tootless‘ Kurs markiert. Der Datenlogger meldet nicht nur die Position, sondern sendet auch Daten über Flug-, Fress- und Schlafverhalten des Tieres.

Der Storchenbeauftragte wartet gespannt auf die nächste Meldung des Senderstorchs. Vielleicht gibt es in den kommenden Monaten auch Nachrichten von den drei anderen Störchen, die zwar keinen Sender, wohl aber wie Tootless einen Ring erhalten haben.

Ein Jungstorch wurden in Dambeck beringt, zwei weitere in Hohenböddenstedt. Die Aktionen, in deren Verlauf die Tiere aus den Nestern geholt werden müssten, fänden meist relativ spontan statt, seien schlecht langfristig planbar. Umso mehr freut sich Thomas Koberstein über Helfer, die unkompliziert die erforderlichen Hilfsmittel wie Hubbühnen bereitstellen wie die Salzwedelerin Kerstin König oder Familie Büttner aus Lohne, die die Aktion in Kricheldorf unterstützen. In Hohenböddenstedt rückten die Mitglieder der Feuerwehr Diesdorf an.

Gegen die ungewohnte Aktion sträuben sich die Tiere übrigens nicht, so Thomas Koberstein. „Sie verfallen dann in eine Art Schockstarre, daher ist das Beringen problemlos.“

Die Spannung, mit der er die Bewegungen von Tootless verfolgt, können jedoch nicht über ein insgesamt schlechtes Storchenjahr im Norden der Altmark ablenken. „Es gibt 71 mögliche Standorte in der Region. Insgesamt haben dieses Jahr 20 Brutpaare 46 Jungstörche aufgezogen“, zieht Thoms Koberstein Bilanz.

Als Ursache vermutet er zum einen Probleme bei der Paarbildung. Störche, die über die iberische Halbinsel in ihre Winterquartiere fliegen, trafen schon relativ früh wieder in der Altmark ein. Die Kollegen, die die Ostroute bevorzugen, kamen mitunter erst im Mai zurück. Bei der Partnerwahl hatten sie dann das Nachsehen.

Manche, auch früher erfolgreiche, Standorte seien wohl auch nicht besetzt worden, weil in der Umgebung das Nahrungsangebot fehlte. „Störche sind Nahrungsopportunisten. Aber wenn sie Junge haben, brauchen sie in den ersten Tagen Regenwürmer, um sie zu füttern. Die finden sie zwischen Raps und Mai nicht. Und die Wiesenstandorte werden auch immer weiter eingegrenzt.