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Asylbewerber „Klassenausflug“ zum Ringheiligtum

Zum Abschluss ihres Deutschkurses besuchten die Asylbewerber der Einheitsgemeinde Barby das „Ringheiligtum Pömmelte“.

Von Thomas Linßner 04.02.2016, 00:01

Pömmelte/Barby l Die elfjährige Ronaz aus Syrien und Merit (10) aus Biere haben sich scheinbar gesucht und gefunden. Die Mädchen tollen zwischen den bemalten Kulthölzern der Kreisgrabenanlage umher, während Kerstin Weber ihren Schützlingen versucht, das „deutsche Stonehenge“ zu erklären. Ronaz ist Flüchtlingskind, Merit die Tochter von Iris Merseburger, die zum Stamm der Deutschlehrer gehört, Kerstin Weber ist die Organisatorin des Ganzen.

Für die Asylbewerber aus der Einheitsgemeinde Barby ist der Sinn des Platzes mitten auf dem Acker mit seinen vielen farbigen Baumstämmen erstmal schwer zu fassen. Kerstin Weber erklärt ihn als komplexen Ritualort, an dem vielfältige religiöse Handlungen ausgeübt wurden, lange bevor es irgendwelche der heute bekannten Weltreligionen gab. Als man beim heutigen Pömmelte vor knapp 5000 Jahren die Auf- und Untergänge der Sonne durch rohe Holzstämme beobachtete, herrschte in Syrien der König von Kiš über ein Akkadisches Großreich. Als die Pömmelter Anlage schon wieder verfallen war, schickte sich Alexander der Große an, 300 Jahre vor Christus das heutige Syrien zu erobern.

Die rund 30 Frauen, Männer und Kinder aus Syrien und dem Irak sind in einem bunt zusammen gewürfelten Autokorso gekommen. Es sind Kleinbusse von Teutloff dabei sowie mehrere Privat-Pkw.

Es herrscht ein bisschen die Heiterkeit eines Klassenausfluges. Auch dann, als Kerstin Weber mit lauter Stimme ihre Schüler zur Aufstellung für das Foto beordert. „Jalla! Jalla!“, ruft sie den Säumigen zu, was „Schnell! Schnell!“ heißt. Ältester ist der 67-jährige Hussein Abdalla, die Jüngsten sind ein paar einjährige Kleinkinder.

Seit November vergangenen Jahres nehmen die Asylbewerber am Deutschkurs teil, der in den Räumen von Teutloff in der Pömmelter Straße Barby stattfindet. Montags bis freitags stehen täglich sechs Stunden auf dem Plan. Wie Kerstin Weber erzählt, gab es anfangs die Tendenz, dass der Kurs „männerlastig“ war. Nicht weil die Frauen keine Lust hatten, sondern gemäß ihres gewohnten Rollenbildes lieber Zuhause bei den Kindern blieben. Kerstin, die resolute Heilpraktikerin mit dem großen Herzen, weichte diese Haltung schnell auf: Ihr solltet alle kommen, bringt eure Kinder mit! So kam es, dass an dem Kurs alle mehr oder weniger intensiv teilnahmen.

Nach dem entspannten Besuch des Ringheiligtums wird es im Barbyer Teutloff-Schulungsraum dann wieder ernst. Zur Abschlussprüfung gilt es die erworbenen Kenntnisse in einer „Sprachstadt“ zu beweisen. Dazu sind Stationen aufgebaut, die man im Alltag erlebt: Zentrale Aufnahmestelle, Wohnungsamt, Post, Arzt, Polizei, Einkaufsladen.

Laut Kerstin Weber werden gut die Hälfte aller Flüchtlinge Barby wieder verlassen, um in größere Städte zu ziehen. Oft haben sie dort Verwandte oder Freunde. Ziemlich sicher sei, so die 45-Jährige, dass sich eine Familie in Barby niederlassen möchte.

Die Kosten für die Deutschkurse übernehmen Teutloff sowie die Agentur für Arbeit. Insgesamt sieben Lehrer sind verpflichtet.