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Brücktor Barby Nach wie vor ein malerischer Ort

Der denkmals­trächtige Teil der mittelalterlichen Stadtmauer empfängt Besucher der Stadt, die aus Richtung Saalemündung kommen.

Von Thomas Linßner 09.07.2016, 01:01

Barby l Es gab Barbyer Stadttore, die ihrem Namen eher gerecht wurden. Doch vom Brücktor stehen wenigstens noch die Pfeiler, derweil die anderen Bauten Mitte des 19. Jahrhunderts der praktischen Bau- stoffgewinnung geopfert wurden.

Beim Brücktor erinnern zwei stattliche Sandsteinpfeiler an die einstige Funktion als Stadttor. Hier kam seit Jahrhunderten durch, wer aus Richtung Zerbst, der Saalemündung, der Schiffswerft oder Fähre in die Stadt wollte.

Auch heute ist die Straße gut frequentiert. Besonders Radtouristen bekommen aus dieser Perspektive einen Eindruck, was sie in Barby erwartet. Das Ensemble „Prinz“, Jugendstilvilla und eben das Brücktor mit seiner archaischen Mauer machen neugierig, was noch kommt.

2004 wurde das neue Brücktor im wahrsten Sinne des Wortes grundsaniert. Mag auch die Ausstattung mit zwei getrennten Treppen und einer Fahrrad-, Kinderwagen- und Rollstuhlrampe im sichtbaren Bereich recht üppig wirken – wesentliche Dinge geschahen „unterirdisch“ und dienen dem Hochwasserschutz.

So wurde im Straßenkörper eine Regenwasserleitung eingebaut, die eine funktionierende Rückstauklappe bekam und ganz zugeschiebert werden kann. Über diese Leitung wird das höher liegende Stadtgebiet entwässert. Steht das Hochwasser über diesem Niveau, kann das System zuverlässig dicht gemacht werden. Bei der Flut 2002 drang durch die alte Leitung Hochwasser ein und setzte große Teile der Breite unter Wasser.

In den beiden Sandsteinpfeilern ließ man Edelstahlnute ein, die bei Hochwasser Absperrelemente aus Alu­minium aufnehmen. Sie werden mit Schläuchen abgedichtet, die sich aufpumpen lassen. Früher kippte man an dieser Stelle nach Vorväterart fuhrenweise Mist ab, der das Hochwasser abhielt.

Die beiden Pseudo-Pfeiler des historischen Brücktors mussten vor zwölf Jahren vollständig abgebrochen werden. Nach Überzeugung des Bauprojekt-Koordinators Otto Bleich stammten sie aus der Zeit der vorletzten großen Stadtmauersanierung 1884. Sie deuteten das 1847 abgetragene Stadttor an, waren aber gerade mal 80 Zentimeter stark. Auf einer detailreichen Lithografie aus dem frühen 19. Jahrhundert ist noch ein geschlossener Torbogen zu erkennen, der vermutlich vor 1884 abgebrochen wurde.

Die jetzigen Pfeiler haben ein Grundmaß von 1,50 mal 2,20 Meter und sind 4 Meter hoch.

Das Brücktor ist ein typisches Beispiel für die jeweilige Bauauffassungsmode. Mitte des 19. Jahrhunderts brach man viele alte Stadttore ab, weil sie die Straßen einengten und „unmodern“ geworden waren. Auch das Schönebecker Salztor fiel 1839. In der Zeit zwischen der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg besann man sich alter Werte. Im sogenannten Eklektizismus, der herkömmliche Baustile vermischte, wurden auch die beiden erwähnten „Torflügel“ anstelle des abgerissenen Brücktors errichtet.

Wie so oft, wenn in der über tausendjährigen Stadt gegraben wird, stieß man auch 2004 auf Spuren unserer Altvorderen. Beim Abriss von einem der beiden Pfeiler und dem damit verbundenen Fundament-Aushub kamen zahlreiche Scherben zum Vorschein.

Neben Fragmenten des 20. Jahrhunderts fand man handgetöpferte und handbemalte Scherben aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Man erkannte sie an ihrer nicht so perfekten Fertigung.

Auch ein gläsernes Parfüm-Fläschchen mit der Aufschrift „Ed Pinaud Parfumeur Paris“ ließ wegen unperfekter Geometrie Handarbeit erkennen. Das Gefäß mit dem einst edlen Inhalt stammte vermutlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Wer im Landstädtchen Barby hatte das Geld für einen so exklusiven Toiletten-Artikel, wo sich die Mehrheit des Volkes mit dem Knochenprodukt Kernseife abschrubbte?