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Jungvögel beringen In Calbes Kuhgasse brüten Weißstörche

In den vergangenen Tagen hat Wolfgang Grönwald Adebare beringt. So auch in Calbe.

Von Thomas Linßner 03.07.2017, 17:15

Calbe l Die Region ist mit zahlreichen Storchennestern gesegnet. Von April bis August tummeln sich in den meisten von ihnen die Adebare.

So auch seit Jahrzehnten auf einem Schornstein der ehemaligen Brauerei Holzweissig. Den wirklich alten Calbensern wird vielleicht noch die Biermarke mit dem stark regional eingefärbten Namen „Cälbisches“ geläufig sein. Bis Anfang der 1920er Jahre gab es davon Untersorten wie „Puparschknall“ oder „Mäherbier“. Gebraut wurde es nur einen Zwiebelwurf vom Rathaus entfernt, in der Bernburger Straße 5, zwischen Kuh- und Lampengasse. Die Brauerei firmierte unter „Holzweissig“.

Doch zurück zu den Adebaren. Die brauchen nur ein paar Flügelschläge von ihrem Nest bis in die Saaleauen, das auf dem alten Schlot thront. „In diesem Jahr ist die Hälfte der Nester leer geblieben“, erzählt Wolfgang Grönwald, während Kranfahrer Thomas Berger sein Mobil in Position bringt. (Sein Chef stellt es alle Jahre wieder gratis zur Verfügung.) Dazu braucht er die gesamte Breite der schmalen Kuhgasse, als der die Hydraulikstützen ausfährt. Schließlich muss das Hebezeug Standfestigkeit besitzen.

Laut Grönwald hätten die Afrikaner unter den Störchen ein Futterproblem gehabt und seien geschwächt, um eine so weite Reise anzutreten. Hinzu kämen bei den „Spaniern“ Revierkämpfe. Auch bei uns seien die Mäuse in diesem Jahr knapp.

Ein Anwohner, der die Szene beobachtet, deutet nach oben: „Da sind zwei drin."

Und wirklich: Als uns Thomas Berger vorsichtig nach oben bringt, liegen zwei Adebare im Nest. „Oha, die sind ja schon ziemlich groß“, holt Wolfgang Grönwald ein Gerät heraus, das an eine überdimensionale Kohlenzange erinnert. Dank des Dachdecker-Mobils können wir bis dicht an das Nest heran fahren. Die vor lauter Schreck in Starre gefallenen Flaum-Babys lassen sich problemlos mit der Hand greifen. Allerdings muss der Förster aufpassen, dass seine Bewegungen behutsam sind und kein Jung-Adebar in Panik gerät und aus dem Nest fällt. Den Jungstörchen nutzt es wenig, uns eine Totenstarre vorzugaukeln. Schlaff wie Bettvorleger liegen sie in der Nestmulde, wohl hoffend, dass die „Feinde“ von derart traurigen Vögeln ablassen. Mutter (oder Vater, so genau sieht man das nicht) Adebar tummelt sich derweil entspannt auf dem Mönchswerder.

Wolfgang Grönwald beeindruckt diese Show wenig. Ruck zuck hat er die Ringe um den Fuß gelegt, die seit letztem Jahr nach einer 16-jährigen Kunststoff-Episode nun wieder aus Aluminium sind, wie sie es in der DDR auch waren. Die Ringe werden oberhalb des Gelenks, sozusagen am Oberschenkel, befestigt. Was die Beobachtung durch leistungsstarke Spektive (Ferngläser) erleichtert, weil das Fußgelenk meist unsichtbar in der Nestmulde bleibt.

Wolfgang Grönwald hat seit seinem Premiere-Storch 1973 in Tornitz bisher 960 (!) Adebare beringt. „Nächstes Jahr möchte ich meinen tausendsten schaffen“, lächelt er.

Er ist Rentner im Unruhestand. Nicht nur kleine und große Vögel bekommen von ihm „Identität“ - im Biederitzer Busch bei Magdeburg bringt er Kindern im Waldpädagogischen Zentrum Magdeburg die Natur nahe. Wie er sagt, hätten das vor allem Stadtkinder nötig, die zwar fit mit dem Handy seien, aber keine Meise von einer Krähe unterscheiden könnten. Er legt Erziehern einen Besuch in der Waldpädagogik nahe (Telefon zwischen 7 und 8 Uhr: 0172/3 78 90 76)

Der Storch ist bei den Deutschen beliebter und populärer als ihr (Wappen-)Adler. Es gibt unzählige Bemühungen, seine Brutbedingungen zu verbessern. Damit die Arbeit der Storchenfreunde nicht umsonst ist, muss man aber auch die natürlichen Rahmenbedingungen im Auge behalten. So ist der Erhalt der Auen für Adebar lebenswichtig. Es ist auffällig, wenn man der Saale in Richtung Halle folgt, dass die Storchennester weniger werden. Die durch überschwemmte Wiesen begünstigte Nahrungsgrundlage fehlt dort.

Die Beringungen lassen Schlussfolgerungen auf Population und Zugrouten zu. So bekam Grönwald sogar schon Rückmeldungen aus Südafrika, wo einer seiner Ring-Störche gesichtet wurde. Meist ist mit diesen Informationen Tragik verbunden. 1999er Jungstörche aus Monplaisir und Klein Rosenburg verendeten durch Hochspannungsleitungen. Ein in Grünewalde beringter Storch wurde am 26. Oktober 2001 in Spanien abgeschossen.