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Museum Thale „Schrottfotos“ im Eisenhüttenwerk

„Alles Schrott!?“ heißt die Fotoausstellung der Schönebeckerin Agnes Schulz in der Galerie des Hüttenmuseums Thale.

Von Thomas Linßner 10.05.2017, 19:24

Thale/Schönebeck l Wo würden die „Schrottfotos“ von Agnes Schulz wohl besser hin passen, als an einen Ort, an dem seit 1686 Erz verhüttet und später Eisen gewalzt wurde? 1831 soll in dem Werk die erste eiserne Wagenachse Deutschlands hergestellt worden sein. Ein zusätzlicher Produktionsbereich entstand mit der Herstellung von Kochgeschirr ab 1835. Thaler Emaillegeschirr wurde international exportiert. Selbst die ersten deutschen Stahlhelme produzierte man 1916 in Thale an der Bode.

Hier ist also viel von Eisen die Rede, das nach seiner Verwendung zu Schrott wurde.

Es ist die 28. Ausstellung von Agnes Schulz, die sich dem Thema seit 15 Jahren widmet. Vielleicht war es Schicksal, dass unweit ihres Heims in Frohse ein Schrottplatz liegt. 2002 fotografierte sie dort zum ersten Mal.

Mit der Analogkamera, die noch „richtige Filme“ belichtete, dem Tele- und Makroobjektiv, mit dem Stativ. Heute ist sie bei der digitalen Fotografie angekommen, wogegen sie sich anfangs sträubte.

„Wenn die zierliche Frau zwischen den Schrottbergen auf Motivsuche geht, passt sie optisch so gut dorthin wie die Harfenistin auf das Rockfestival. Die rustikalen Schrottmänner um sie herum tragen Arbeitsschutzkleidung, machen mit langen, fauchenden Schneidbrennern unhandliches Eisen kurz und klein. Funkenregen, Azetylen und Sauerstoff, krachende Krane, Sintergeruch … Dazwischen Agnes Schulz, die Pastorenfrau“, schrieb die Volksstimme schon vor zehn Jahren.

Daran hat sich im Prinzip nichts geändert. Die Fotografin sieht Dinge, die für die Schrottprofis nur schnödes Tagwerk sind. Wenn sich die Abspannseile des Hafenkrans in einer Pfütze spiegeln. Aber nicht in irgendeiner: Der infolge Trockenheit geschrumpfte Regenrest verdichtet das Objekt der fotografischen Begierde auf das Wesentliche. So was muss man erst mal sehen.

„Als ich das erste Mal fragte, ob ich dort fotografieren darf, wurde ich noch geführt und auf die Gefahren aufmerksam gemacht“, erinnert sich Agnes Schulz. Wenn sie jetzt mit Fototasche und Stativ antrabt, interessiert das niemanden mehr wirklich.

Zur Ausstellungseröffnung war auch Gerhard Meißner gekommen, der von 1990 bis 2012 Chef des Frohser Schrottplatzes war. Dem Ilsenburger ist es zu verdanken, dass Agnes Schulz sich dort tummeln konnte. Meißner ist von pragmatisch-offenem Naturell, der die Wirkung von Schulz‘ Fotos erkannte. Er wäre schließlich auf der sicheren Seite gewesen, wenn er der betriebsfremden Person den Zutritt verwehrt hätte. Aus versicherungsrechtlichen und/oder Arbeitsschutzgründen. Doch machte er nicht, was ihn ehrt. „Wir haben einige Fotokalender von Frau Schulz unseren Kunden geschenkt“, erinnert sich Meißner, der in DDR-Tagen im Walzwerk Ilsenburg arbeitete, also auch eine berufliche Metall-Biografie hat.

Besonders entzückt ist Agnes Schulz über den unglaublichen Formenreichtum der Stanzabfälle. Was für Stahlwerker, Schlosser, Schweißer und Brenner schnöder Schrott ist, dessen einziger Wert im aktuellen Markt-Gewicht liegt, treibt der Fotografin den Glanz in die Augen. Seit einigen Monaten experimentiert sie mit Computerbearbeitungen. Davon zeugen sogenannte Sandwich-Bilder, die bizarre Doppelungen zeigen. Am geheimnisvollsten und interessantesten sind aber immer noch die Detail-Fotos, die auf das Wesentliche reduziert sind und dem Betrachter viel Spielraum für eigene Interpretationen geben.

Die Ausstellung kann im Hüttenmuseum Thale, Walther-Rathenau-Straße 1, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr besucht werden.