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Rückblick Zehn Jahre nach Orkan „Kyrill“

Es ist zehn Jahre her, dass Orkan „Kyrill“ hinweggefegt ist. Im Altkreis Schönebeck sorgte er für einen flächendeckenden Stromausfall.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 17.01.2017, 06:08

Elbenau l „Achtung: Heute Sturm, danach Kälte“. Mit dieser Überschrift warnte ein Volksstimmebeitrag am 18. Januar 2007 die Leser vor dem bevorstehenden Orkan „Kyrill“. Mit Windstärken von bis zu 140 Kilometer in der Stunde sollte damals gerechnet werden. In Wirklichkeit erreichte der Orkan am Abend des 18. Januar Windgeschwindigkeiten von bis zu 225 Kilometer in der Stunde. Die Auswirkungen haben die Bürger im Altkreis Schönebeck am eigenen Leib erfahren müssen. Bestes Beispiel ist der Stromausfall, der um 18.08 Uhr den gesamten Landkreis ereilte. Einen Tag später sorgte er beispielsweise dafür, dass die Volksstimme-Leser im Altkreis Schönebeck eine sogenannte Notausgabe ausschließlich mit Berichten aus Magdeburg erhielten. Am 20. Januar schließlich wurde auf drei Seiten der Lokalausgabe über die gravierenden Auswirkungen von Orkan „Kyrill“ berichtet. Das sind zum einen die unzähligen umgestürzten Bäume. Auch die mehr als 100 Helfer, die in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar im Einsatz waren, sind zu nennen. Selbst Einbrecher haben in der Orkan-nacht keine Pause eingelegt, stattdessen haben sie versucht, in die Supermärkte in Schönebeck und Calbe einzubrechen, während es ihnen bei den Einrichtungen in Förderstedt und Groß Rosenburg sogar gelang.

Von Glück im Unglück berichtet die Volksstimme aus Elbenau. Hier ist Familie Osten, die an der Elbenauer Straße wohnt, betroffen. Nicht nur sie. Ihr Schicksal schlägt sich letztlich auch in den drei Häusern ihrer Nachbarn nieder. Was ist passiert? Ingrid Osten befindet sich mit ihrem Mann, ihrer Tochter sowie ihrer Mutter am Abend des 18. Januar in der mittleren Etage ihres Wohnhauses. Kurz nach 18 Uhr fällt der Strom aus. Weitere zehn Minuten später schreckt die Familie von einem ohrenbetäubenden Knall auf. Später, als der Orkan langsam nachlässt, trauen sich die Ostens in ihren Hausflur. Bereits hier kommt ihnen ein kalter Wind entgegen. Denn im Dach klaffen mehrere Löcher, die Tür zum Boden steht sperrangelweit offen. Das gesamte Ausmaß wird den Elbenauern aber erst nach und nach bewusst.

Auf dem Hinterhof von Familie Osten befindet sich ein zweites Gebäude. Es hat nur zwei Etagen. Ebenfalls auf dem Hof steht ein Schornstein, der noch an die Zeit erinnert, als Ingrid Ostens Großvater auf dem Gelände seine Lackfabrik betrieben hatte. Hinter dem Gelände befindet sich schließlich nur noch Acker. Erst in der Ferne ist dann die Elbe. So viel zum Ist-Stand.

„Von der Elbe aus kam der Wind“, erinnert sich Ingrid Osten. Über das Feld habe er sich aufgebaut. Wie sie sagt, befand sich ihr Haus direkt in der Schneise der Verwüstung des Orkans. Die Folge: Der Wind reißt das komplette 100 Quadratmeter große Walmdach vom kleineren Hinterhofgebäude ab. Dieses Dach, das erst kurz vorher saniert worden war, fliegt im hohen Bogen nach oben und beschädigt den Schornstein. In Folge dessen stürzt der Schornsteinkopf auf das Dach des Wohnhauses. Durch die Löcher im Dach drückt sich dann der Wind in den Dachboden. Dadurch stürzen die Ziegel auf der anderen Seite zur Straße.

Und das aus den Ankern gerissene Dach vom Hinterhof? Das wird währenddessen weiter nach oben getragen. Mit dem Wind fliegt es über das Wohnhaus hinüber, dann über die Elbenauer Straße und beschädigt schließlich die drei hintereinander stehenden Nachbarhäuser. Es ist eine Spur der Zerstörung, die Ingrid Osten und ihre Familie am nächsten Tag sieht.

„Ich habe mir nie vorstellen können, dass Hurrikans wie in amerikanischen Filmen wirklich Autos umherwirbeln können“, sagt Ingrid Osten heute. „Doch seit ‚Kyrill‘ weiß ich, dass das geht“. Durch diese Erfahrung empfinde sie Ehrfurcht vor der Natur.

„Als wir damals raus zur Straße gegangen sind, um zu sehen, was passiert ist, haben wir gehört, wie sich die Nachbarn über ein Dach unterhalten“, erzählt Ingrid Osten. „Irgendwie haben wir gewusst, dass es unseres ist“, sagt sie.

Zum Glück gilt bei einem Orkan für Versicherungen nicht das Verursacherprinzip, erzählt die Elbenauerin heute, zehn Jahre später. In solch einem Fall würde die Gebäudeversicherung des jeweils Betroffenen in Kraft treten. Soll heißen: Die Versicherung von Familie Osten musste nur für den Schaden bei Ostens aufkommen. „Am nächsten Tag sind wir trotzdem mit Wein und Pralinen zu den Nachbarn gegangen“, erinnert sich die Elbenauerin. Das Wichtigste für sie: Menschen wurden nicht verletzt. Glück im Unglück eben, sagt sie.

Inzwischen ist auf dem Hinterhofgebäude ein neues Dach. Die Löcher im Dachboden sind beseitigt. Nur der Schornstein, der ist nun um rund einen Meter kürzer.