1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Mink und Unfallwild bereiten Sorge

Jagdwesen Mink und Unfallwild bereiten Sorge

Welche Probleme haben die Jäger im Kreis Stendal? Das wollte Landtagsabgeordnete Helga Paschke wissen und bekam Brisantes zu hören.

Von Nora Knappe 28.10.2015, 00:01

Stendal l Die Fachsimpelei über erlegte Wildschweine vor dem offiziellen Beginn der Gesprächsrunde war durchaus nicht nur Randgeschehen. Denn tote Tiere im weitesten Sinne standen auf der Liste, mit der die Kreisjägerschaft Stendal bei der Linken-Landtagsabgeordneten Helga Paschke auf Gehör hoffte. Paschke hatte die Abordnung der Kreisjägerschaft am Montag im Rahmen ihrer Kommunaltour im Wahlkreisbüro in Stendal zu Gast – und wollte wissen: „Was müsste unbedingt mal angesprochen oder geklärt werden?“

Auf diese Frage waren die Vorstandsmitglieder um ihren Vorsitzenden Bernhard Engelmann natürlich vorbereitet und erklärten eindringlich aus ihrer Sicht Problematisches. „Was uns nach wie vor bewegt, ist das Thema Wolf“, so Engelmann. „Die vom Land erarbeitete Leitlinie dazu ist ein Bürokratie-Monster“, monierte er und hatte als gutes Gegenbeispiel und Anregung eine „sehr sachliche Informationsbroschüre“ des Landes Sachsen mitgebracht.

Hans-Jörg Krause, Sprecher für Agrarpolitik und ländliche Entwicklung der Linke-Fraktion im Landtag, der Paschke am Montag begleitete, merkte dazu an: „Im Landtag fehlt die Mehrheit dafür, diese Leitlinie nochmal kritisch anzufassen. Aus seiner Sicht werde der Wolf „gegenüber anderen geschützten Arten wie zum Beispiel dem Rotmilan überproportional wissenschaftlich begleitet. Und der Wolf ist ja nicht vom Aussterben bedroht.“

Die Jägerschaften setzen sich dafür ein, den Wolf bejagen zu dürfen. „Wir sind nicht gegen den Wolf“, bekräftigte Bodo Bretschneider, stellvertretender Vorsitzender der Kreisjägerschaft, „aber es muss eine Obergrenze geben. Der Wolf hat seine Scheu verloren.“

Auch die Nilgans sollte nach Ansicht der Kreisjägerschaft Stendal ins Jagdrecht aufgenommen werden. „In vielen Bundesländern ist sie das schon“, sagte Engelmann und erklärte auch, warum das nötig sei: „Sie ist immer stärker vertreten und richtet große Schäden unter heimischen Wasservögeln an.“ Und nicht nur das: Sogar Störche wurden in diesem Jahr von Nilgänsen attackiert. „Wo die Nilgans ist, sind Tiere bedroht.“

Nicht weniger brisant ist aus Sicht der Jägerschaft die Verbreitung von Mink, Marder und Waschbär. „Durch sie sind Sing- und Wasservögel bedroht, gerade der Mink hat sich gewaltig ausgebreitet“, sagte Engelmann und macht ihn für den Rückgang der Stockenten-Population verantwortlich. „Der Waschbär räubert Nester aus, aber der Mink greift sich auch die Enten, er schleicht sich an, sogar im Wasser, und greift sie sich. Ich sehe das vermehrt, dass die Erpel in der Überzahl sind, die Enten sind tot.“ Die Jäger schlagen daher Fangprämien als Anreiz vor, um dieses Problem in den Griff zu kriegen. „Und damit würde ein Jäger kein Geld verdienen“, hakte Jägerschaftskollege Walter Lienert ein, „denn das Aufstellen und Kontrollieren der Lebendfallen ist aufwendig und kostspielig.“

Ein weiteres Problem, das die Kreisjägerschaft als ungelöst betrachtet, sprach Schatzmeisterin Kerstin Kießling an: die Entsorgung von bei Verkehrsunfällen getötetem Wild. Die Jäger übernähmen das freiwillig, rein rechtlich sei der Baulastträger einer Straße zuständig. „Das können wir aber nur, wenn wir informiert werden“, so Kießling. Und genau dieses Informiertwerden funktioniere nicht mehr seit der Zentralisierung der Polizeireviere. Das habe die Informationskette verkompliziert, der enge Kontakt zu den Jagdpächtern sei nicht mehr gegeben.

„Gerade außerhalb der Dienstzeiten und an Wochenenden bleibt deshalb viel Wild an Straßen liegen, und die Leute fragen sich: Warum räumen die Jäger das denn nicht weg?“ Den Vorteil, wenn Jäger das tote Wild entsorgen, erklärte Lienert: „Wir dürfen es im Wald vergraben, der Baulastträger müsste es von Firmen entsorgen lassen – und das kostet. Allein 1100 Rehe werden bei Autounfällen im Landkreis Stendal jährlich getötet.“

Helga Paschke hatte für all diese Anliegen nicht nur das erhoffte offene Ohr, sondern versprach auch, sie in Landtag beziehungsweise Kreispolitik einzubringen, diesbezüglich nachzuhaken: „Bis Ende des Jahres werden wir uns melden, gerade in Hinsicht auf die Wildunfälle.“

Dass das Jagdwesen weit mehr als ein Hobby sei, unterstrich Hans-Jörg Krause: „Die Jäger erfüllen einen gesellschaftlichen Auftrag, sie tragen mit dafür Sorge, das ökologische Gleichgewicht zu erhalten. Leider fehlt ihnen in der Politik einfach die Lobby, und in der Gesellschaft, vor allem in den Städten, das Verständnis.“